Über ein buntes Programm in Weimar
Alle zwei Jahre wird von der Goethe-Gesellschaft in Weimar eine mehrtägige Konferenz veranstaltet, zu der Forscher und Interessenten aus aller Welt anreisen. Dieses Jahr war das Thema „Goethe und die Weltreligionen“. Olga Surinás, PhD-Studentin am Germanistischen Institut in Szeged, wurde für diese Veranstaltung ein Stipendium bewilligt, das sie an diesem Ereignis teilhaben ließ.
Einige Schwierigkeiten stellten sich Olga bei der Anreise in den Weg, denn wegen Reparaturarbeiten an den Schienen gab es große Verspätungen im Zugverkehr. Während dieser Verzögerungen machte die Stipendiatin aber bereits erste Bekanntschaften und lernte eine Frau kennen, die zwar keine Wissenschaftlerin war, aber jedes Mal zu der Tagung kommt, weil sie sehr für die Werke Goethes schwärmt. Als Unterkunft diente den Teilnehmern eine Jugendherberge im historischen Stadtviertel von Weimar. Olga teilte ihr Zimmer mit zwei Kroatinnen und einer anderen Stipendiatin aus Ungarn, mit der sie nach eigener Auskunft sofort auf der gleichen Wellenlänge lag. Weimar selbst wurde für sie unerwartet zum Labyrinth. „Obwohl die Stadt so klein ist, habe ich mich ständig verlaufen und ich weiß bis heute nicht, warum.“
Der erste Tag der Konferenz zeigte laut Olga bereits, dass die Veranstalter viel Wert auf ein buntes Programm legten. „Es gab Vorträge zu literaturtheoretischen, theologischen, philosophischen und sprachwissenschaftlichen Aspekten, die Vortragenden kamen u.a. aus Österreich, Berlin, Zagreb, der Schweiz und den USA. Da war für jeden etwas dabei.“ Am zweiten Tag gab es eine feierliche Eröffnungsveranstaltung. „Dort wurde Franz Liszts Ungarische Rhapsodie Nr. 6 gespielt, was uns sehr berührt hat. Außerdem sprach der Präsident der Weimarer Goethe-Gesellschaft, Dr. Jochen Golz, einige Begrüßungsworte, und obwohl die Tagung mit 600 Teilnehmern relativ groß war, war das ganze sehr persönlich.” Für besonders erwähnenswert an diesem Tag hält Olga den Vortrag „Gott-Atmen. Goethes Religionen“ von Navid Kermani aus Köln. „Da ging es darum, wie Goethe Elemente aus dem Koran übernommen hat. So auch in einer Strophe im Gedicht Talismane:
“Im Atemholen sind zweierlei Gnaden;
Die Luft einziehn, sich ihrer entladen.
Jenes bedrängt, dieses erfrischt;
So wunderbar ist das Leben gemischt.
Du danke Gott, wenn er sich preßt,
Und dank’ ihm, wenn er dich wieder entläßt.”
Es war neu für mich, dass Goethe sich so sehr für den Koran interessiert. Der Vortrag war wie Meditation.“ Abends gab es die Möglichkeit, im Theater den Faust als eine Oper in vier Akten zu sehen. „Das Stück war auf Französisch mit deutschen Übertiteln. Das Bühnenbild und der Gesang haben mir dabei sehr gut gefallen.“
Als einen weiteren Höhepunkt ihres Aufenthalts in Weimar führt Olga den Besuch von Goethes Haus und Bibliothek an. „Ich hatte vorher schon Goethes Familienhaus in Frankfurt besucht, aber das Weimarer Haus war viel persönlicher. Zum Beispiel gab es dort sehr langgezogene Treppen, eine Spezialanfertigung für Goethe, damit er vor möglichen Gästen nicht außer Atem gerät. In diesem Haus herumlaufen zu dürfen war für mich eine große Sache. Wir durften in Weimar wirklich vieles sehen, was normale Besucher nicht zu sehen bekommen.“
Ihre Zeit außerhalb der Veranstaltungen verbrachte Olga in der Bibliothek mit ihrer Forschungsarbeit. Als PhD-Studentin schreibt sie in ihrer Doktorarbeit über deutschsprachige Klosterromane um 1800. In Weimar konnte sie weitere relevante Werke finden, die das Klosterleben schildern. „Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar ist eine der schönsten Bibliotheken in Deutschland. Leider gab es vor nicht allzu langer Zeit einen Brand, bei dem auch viele Bücher zerstört oder beschädigt wurden. Im Moment versucht man, die Werke, wo es möglich ist, zu retten, aber einige Bücher waren bei meinem Aufenthalt nicht einzusehen.“ Neben der Bibliotheksarbeit hatte Olga Zeit, sich auf dem Weimarer Friedhof Denkmäler von anderen wichtigen deutschen Dichtern, die in Weimar gelebt haben, anzusehen.
„Abschließend kann ich sagen, dass man nicht unbedingt Goethe-Forscher sein muss, um an einer solchen Konferenz teilzunehmen. Man kann sehr davon profitieren, auch wenn man kein Experte auf dem Gebiet ist. Wichtig ist nur, dass der Bezug zur Zeit Goethes gegeben ist. Ich selbst bin durch die Tagung letztendlich Mitglied der Ungarischen Goethe-Gesellschaft geworden.“
/Jasmina Schreck/