Über den Vortrag „Faszination Ägypten – über die Sehnsucht Europas nach dem Land am Nil“
Dr. Wilfried Seipel, den meisten Anwesenden noch aus der Zeit bekannt, als er als Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Wien unser Institut besucht hatte, hielt am 07. Mai 2015 an der Universität Szeged einen Vortrag über Ägypten und das, was an diesem Land die Europäer faszinierend fanden.
Kurz vor 16 Uhr war Raum VIII im Ady-Gebäude brechend voll und es kam einem vor, als wäre es auch fast so heiß wie Ägypten selbst. Die Anwesenden waren alle auf das Thema eingestimmt und voller Erwartung, als Institutsleiter Dr. habil. Endre Hárs den Vortragenden vorstellte.
Was empfindet man heute als faszinierend? Und was bewegte die Menschen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts? Was ist Faszination überhaupt?
Herr Seipel erklärte, wie sich Europa dem Land am Nil zuwandte, und dabei kamen Namen wie Mozart oder Napoleon vor. Der Komponist der Zauberflöte war von der zweigesichtigen Kultur des alten Ägyptens, wie man sie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Europa in gewissen Kreisen dargestellt hatte, mehr als angetan und inspiriert, dieses Meisterwerk von Oper zu erschaffen. Das Land mit der geheimnisvollen Vergangenheit und in politischer Hinsicht spannender Gegenwart reizte auch das Frankreich unter der Herrschaft Napoleons. Politisches und wirtschaftliches Kalkül bewegten das französische Herr, das strategisch wichtige Land zu erobern. Es gab aber einen Unterschied im Vergleich zu sonstigen Eroberungsunternehmungen: Die Armee begleitete eine Gruppe von Wissenschaftlern und Künstlern mit der klaren Absicht, das Vorgefundene zu dokumentieren und wissenschaftlich zu bearbeiten. Zum Glück, denn wäre dies nicht der Fall gewesen, hätten wir heute nicht die Fülle an Kenntnis über das alte Ägypten, die wir nun auch dank der Ägyptologie haben.
Dies war aber erst der Anfang. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch und auch noch ein Stück in das 20. hinein, im „goldenen Zeitalter der Archäologie“ bot das Land immer wieder Gelegenheit, etwas Neues zu entdecken. In der imaginären Halle der den Europäern bekannten Ägypter stehen ab jetzt neben Kleopatra auch Gestalten aus der Zeit davor: Namen wie Nofretete oder Tutanchamun sind erst seit dieser Zeit ein Begriff für alle Interessenten, aber auch für Leute, die vielleicht nur ein goldenes Medaillon an ihrer Kette mit dem Profil der wohl „schönsten Frau der Welt“ tragen.
Die wundervollen Entdeckungen eröffnen den Zugang zu einer wundervollen Zeit, vollständig wird jedoch das Bild erst, wenn man auch die Schrift der Zeit erschließt. Dazu kam es durch die Entzifferung des dreisprachigen Rosetta-Steins durch Jean-François Champollion gute drei Jahrzehnte nach dessen Entdeckung. Will man sich eingehend mit Ägypten beschäftigen, muss man sich Zeit lassen …
Was interessiert den heutigen Europäer an Ägypten? Spontan fallen einem Pauschalreisen und Tauchurlaube, Pyramiden, Wüstensand, die Sphinx und dergleichen mehr ein. Erfahrung vor Ort, wenn auch unter der strengen Aufsicht eines Fremdenführers. Demgegenüber hat man auch auf europäischem Boden die Möglichkeit, in zahlreichen Museen Schätze des alten Ägyptens zu besichtigen. Eine zeitgemäße und sehr anspruchsvolle Wanderausstellung bringt Groß und Klein Tutanchamuns Grab und die Kostbarkeiten näher. Die Faszination, die von diesem Land seit den alten Griechen ausgeht, wird wieder einmal vertieft.
/Krisztina Zámbó/
Fotos: Krisztina Zámbó