Wie ein Musiker den Literaturbetrieb erobert.
Schemenhafte Fernsehauftritte, gesichtslose Interviews oder unscharfe Fotografien. Lange Zeit wusste man gar nicht so viel mit dem rampenlichtscheuen PeterLicht aka „das Pop-Phantom“ aka „Meinhard Jungblut“, wie ein weiteres Pseudonym von ihm heißt, anzufangen. Die ersten sechs Jahre seines Erfolges schaffte er es, vollkommen anonym zu bleiben. Sein Name ist nach wie vor ein wohlgehütetes Geheimnis und auch biographische Details gibt er bis heute nicht preis.
Wie schreibt man aber ein Portrait über einen Künstler, der nicht gesehen werden möchte? Ganz einfach: indem man ihm zuhört. Man macht endlich mal das, was all die Stars und Sternchen und Celebrity-Werbe-Spezialisten der Gegenwart in ihrem Instagram-Twitter-Wahn vergessen haben, und konzentriert sich auf das Wesentliche: seine Arbeit! Und so geht es zur Abwechslung mal nicht um den sich profilierenden Künstler, sondern um dessen Ideen, Lieder, Texte.
Das erste, was man von PeterLicht zu hören bekam, waren Nachrichten vom „Sonnendeck“. So hieß seine erfolgreiche Debüt-Single, die 2001 zum deutschen Independent-Sommerhit avancierte. Und wenn man schon mal da oben ist und alles gut im Blick hat, kann man ja gleich weiter machen: In den Folgejahren veröffentlichte er noch weitere fünf Alben und meldete sich darüber hinaus nicht mehr nur als Musiker zu Wort. Auf den deutschen Theaterbühnen ist er mittlerweile als Autor und Regisseur bekannt und literarisch hat er ebenfalls eine Menge zu bieten. Sein erstes Buch erschien bereits 2006 und trug den Titel Wir werden siegen! Buch vom Ende des Kapitalismus. Zwei Jahre später folgte Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des 3. Jahrtausends, eine kurze Erzählung, mit der er den dritten Platz des Ingeborg Bachmann-Wettbewerbs belegte und zudem den Publikumspreis gewann.
Damit sind wir aber noch lange nicht am Ende, denn PeterLicht hat viel zu sagen: Im Oktober dieses Jahres erschien nicht nur sein Live-Album Lob der Realität, sondern auch sein neues, gleichnamiges Buch beim Blumenbar-Verlag. Gefüllt ist es mit Kurzgeschichten, Märchen, Gedichten, Mono- und Dialogen, in denen sich der Autor in gar nicht so phantomhafter Manier mit den großen und kleinen Alltäglichkeiten eines Jedermanns befasst.
Die Texte von PeterLicht allgemein beschreiben zu wollen ist kaum möglich, denn sein Lob präsentiert er in vielfältiger Weise: Poetisch, lyrisch, fantastisch thematisieren seine Texte die Welt, in der wir leben. Und was es nicht alles zu loben gibt: Lob der freien Welt, des Überflusses, der Leerstelle, sogar der Konkurrenz. Und vieles davon hat Sinn: Tiefsinn, Unsinn, Schwachsinn und weitere alltägliche Sinnhaftigkeiten, die in unserer Realität zu finden sind. Es beginnt beim Anfang, beim Ursprung des Mensch-Seins ohne Ironie, ohne Verwirrung, ohne Trennung mit einem „Lob der Realität“ und endet mit der Bitte: „Sag mir, wo ich beginnen soll“. Dazwischen jongliert der Autor teils ernst, teils humoristisch mit Momentaufnahmen des Ichs, ganz allein mit seinen Gedanken, und schildert Augenblicke mit all den anderen Individuen, dem Wir, und warum es dann manchmal ganz schön voll werden kann. Womit Wir uns so die Zeit vertreiben, wie dem – genau: sinnieren! – über Nichtigkeiten wie Umweltverschmutzung, unsere Zukunft, oder warum Phthalate Schuld sind am Aussterben der Menschheit. Warum das Geld nie reicht und warum das ein Problem unserer Zeit ist – Wir brauchen einfach mehr davon. Also – mehr Zeit! Und schließlich: Warum Leser dann ihre Zeit damit vergeuden, in „anderer Leute Abenteuer“ hinein zu schleichen, während Schriftsteller damit beschäftigt sind, diese Abenteuer dem realen Leben anderer Leute zu entnehmen. Sie quasi auf der Straße sammeln. Ein Teufelskreis.
Einziger Stolperstein: Ein Lob ist auch ein Urteil. Und wo ein Lob ist, da ist oft auch Tadel nicht fern. Und wenn wir tadeln, dann sind wir ganz schnell wieder bei der Gesellschaftskritik und, natürlich, dem Kapitalismus angekommen… Wir sind eben doch noch nicht ganz am Ende. Aber wenn man aufmerksam liest, dann erkennt man vielleicht, warum auf jede „Problemwerdung der guten Lösung“ eine „Lösungwerdung des Problems“ erfolgt. Oder anders herum?
Fürs Erste bleiben wir aber beim Lob, denn was zum Schluss dabei heraus gekommen ist, kann sich wirklich sehen lassen: Der Leser bekommt 240 Seiten gebundene PeterLicht-Realität, wie gewohnt mit Humor und einer Prise Gesellschaftskritik verfeinert, präsentiert. Ein Buch, das dennoch – und wortwörtlich – viel Raum für eigene Gedanken lässt, denn wenn die Leerstelle gelobt wird, dann geben wir ihr auch Platz auf der Seite. Mit schöner Haptik, festem Papier, durch welches man nicht bis zum anderen Buchdeckel hindurchgucken und das Ende sehen kann, und Zeichnungen von Autorenhand begeistert dieses Exemplar auch alle Bibliophilen. Eben ein richtig gutes Buch!
Und wem das noch nicht genug Licht ins Dunkel gebracht hat, der schaut hier vorbei: http://txp.peterlicht.de
„Sag mir, wo ich beginnen soll
Wir sollten so beginnen:
Wir singen die Freiheit
Wir singen die Möglichkeiten
Wir singen das Land, den Staat, die Ansammlung, die Ausbreitung,
die Einsamkeit, die Hoffnung (die sich tatsächlich erfüllt)“
/Sabrina Skrzypczak/
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PeterLicht: „Lob der Realität“
Gebunden, 240 Seiten
ISBN 978-3-351-05016-0
Blumenbar / Aufbau Verlag Berlin 2014
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Bilderquelle:
Fotos von Sabrina Skrzypczak