„Bulimie-Lernen“
Hattest du schon das Gefühl, dass das, was in der Schule gelehrt wird, zum Leben unnötig ist? Oder hast du schon mal eine schwierige Prüfung vergessen und deswegen mit der Vorbereitung zu spät angefangen? Beide Fälle sind gute Beispiele für das „Bulimie-Lernen“, das sich heutzutage als ein immer größeres Problem zeigt, da das Ergebnis dieser Lernmethode nicht das langfristige und tiefe Wissen ist. Der Begriff des „Bulimie-Lernens“ ist zu benutzen, wenn man möglichst viel Stoff in das Kurzgedächtnis packt und dieses Wissen später nicht verwenden kann. Dieses Problem ist auch in Deutschland dermaßen präsent, dass der berühmte Philosoph Richard David Precht in seinem neuen Buch „Anna, die Schule und der liebe Gott: Der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern“ eine „Bildungsrevolution“ fordert.
Nach einem Artikel in der österreichischen Zeitung „Die Presse“, der eine Umfrage der Bundesschülervertretung in Österreich zur Grundlage hat, ist das „Bulimie-Lernen“ verbreitet, weil neun von zehn Schülern den in der Schule erlernten Lehrstoff für teils sinnlos halten. Die Schüler haben auch damit Probleme, dass sie von den Lehrenden nicht motiviert werden, keine Infos über weitere Ausbildungsmöglichkeiten bekommen und dass die Lehrerinnen und Lehrer ihre Arbeit ohne Verantwortung machen.
Ausgehend von diesem Artikel führte ich eine kleine Umfrage unter den Studierenden der Universität Szeged durch. Das Ziel war, ein möglichst differenziertes Bild über das Vorhandensein dieses Problems an der Uni Szeged darzustellen. Die sieben Befragten studieren an der gleichen Universität, aber sie wählten unterschiedliche Studienfächer aus.
- Zuerst möchte ich dich nach deiner Fachwahl fragen. Was meinst du, hast du richtig gewählt?
Alisa (Internationale Beziehungen, 2. Studienjahr): Die Beschreibung meines Faches, aufgrund derer ich mich dafür entschieden habe, und die Wahrheit sind total verschieden, daher ist mein Fach für mich eine Enttäuschung.
Mónika (Medizin, 2. Studienjahr): Ich bin sehr zufrieden mit meinem Fach und meiner Fakultät, weil meine vorherigen Erwartungen in Erfüllung gegangen sind.
Rebeka (Psychologie, 2. Studienjahr): Meine Enttäuschung ist sehr groß, weil ich nicht das bekam, womit ich vor der Uni rechnete.
Csaba (Informatik, 2. Studienjahr): Alles ist in Ordnung! Meine Wahl war genial, denn ich studiere das, wovon ich vorher träumte.
Kornélia (Molekularbiologie, 5. Studienjahr): Für mich war die Molekularbiologie die beste Entscheidung. Wenn ich könnte, würde ich noch einmal dieses Fach beginnen.
- Enthält der Lehrstoff in Ungarn Teile, die ihr sinnlos oder kompliziert findet?
Miklós (Geschichte, 1. Studienjahr): Diese Frage zu beantworten ist nicht so einfach. Meiner Meinung nach ist der Lehrstoff ganz sinnvoll organisiert, aber die Auswahl der Lehrmethode war nicht so glücklich, denn sie berücksichtigt die Ansprüche der Studierenden nicht.
Renáta (Pflegerin, 4. Studienjahr): Während meiner vier Studienjahre hatte ich nie das Gefühl, dass ich sinnlosen oder zu komplizierten Lehrstoff „reinfuttern“ sollte. Die Uni gab mir einen sehr guten Grund für mein späteres Berufsleben.
- Was sind eure Erfahrungen mit der verantwortungsvollen Arbeit eurer Dozentinnen und Dozenten?
Alisa: Es gibt Professoren, die den Studierenden gern helfen, aber das ist nur die Minderheit. Leider habe ich sehr schlechte Erfahrungen, aus denen ich darauf schließen kann, dass viele die mit dem Unterricht einhergehende Verantwortung nicht wahrnehmen.
Csaba: Damit im Zusammenhang machte ich auch gute Erfahrungen, denn die Dozentinnen und Dozenten sind sehr hilfsbereit bei uns. Das hat zum Ergebnis, dass die Studierenden auch motiviert sind.
- Ist das „Bulimie-Lernen“ in deinem Fach typisch? Wenn ja, was wäre eine mögliche Lösung?
Alisa: Ja, natürlich. Wir müssen Sachen lernen, die wir im „Leben“ nicht benutzen können. Und ich weiß leider nicht, was der langfristige Nutzen dieser Lehrmethode sein soll.
Csaba: Das „Bulimie-Lernen“ bedeutet bei uns ein großes Problem, aber wenn wir mehr Praktika haben würden, würde das nicht so eine erhebliche Rolle spielen.
Mónika: Meiner Meinung nach kommt das „Bulimie-Lernen“ bei uns nicht vor. Alles, was man im Medizinstudium zu lernen hat, wird irgendwann in der Zukunft wichtig sein.
Renáta: Das „Bulimie-Lernen” bedeutet bei uns auch ein großes Problem. Ich finde, die Aufgabe der Professorinnen und Professoren wäre, eine Lösung dafür zu finden. Eine gute Darstellung des Stoffes spielt dabei eine sehr große Rolle. Wenn einem etwas sicht- oder hörbar, das heißt richtig „greifbar” gemacht wird, kann man es auch einfacher lernen.
Alle der Befragten denken an eine Änderung des Studienplans oder der Lehrmethode als eine mögliche Lösung des Problems Bulimie-Lernen, sind aber mit ihrer Wahl in den meisten Fällen zufrieden. Nach dieser Umfrage lautet meine persönliche Meinung: Die Ausbildung kann nie für alle Menschen vollkommen sein, immer können wir kleine Fehler finden, aber das Problem des „Bulimie-Lernens” sollte nicht vergrößert werden. Man sollte sich auf die Beschaffung des Wissens konzentrieren und mit unendlicher Ausdauer lernen.
Der Preis bleibt nicht aus!
/ Maja Kósa /