Seit September 2016 hat das Institut für Germanistik eine neue Lektorin aus Österreich, Frau Christina Schrödl, die sich am Lehrstuhl für österreichische Literatur und Kultur betätigt. Warum kommt eine Wienerin nach Szeged? Wie gewöhnt sich eine Ausländerin an Szeged? Wie findet sie die ungarische Sprache? Darüber habe ich mich mit Christina Schrödl unterhalten und in diesem Interview bekommen wir auf alle Fragen die Antwort.
GeMa:Sie sind im September 2016 nach Szeged gekommen und einige Monate sind jetzt schon vorbei. Wie gelang es Ihnen, sich an Szeged und die Uni zu gewöhnen?
Christina Schrödl: An die Stadt habe ich mich noch nicht richtig gewöhnt, aber an die Uni schon. Es gibt große Unterschiede zwischen der Uni Wien und der Szegeder Universität, z.B. die Struktur des Studiums. Das Semester beginnt hier schon im September, das ist komisch bzw. neu für mich, weil in Wien der Unterricht später – erst im Oktober – anfängt. Es ist auch ein Unterschied, dass die StudentInnen die Prüfungen nicht in der letzten Vorlesungseinheit schreiben, sondern in der Prüfungszeit. Eine Prüfungszeit in dem Sinn gibt es in Österreich nicht. Vorlesungen werden in der letzten Semesterwoche und (meistens) in der ersten Semesterwoche des darauffolgenden Semesters schriftlich geprüft. Das Ablegen einer Vorlesungsprüfung ist bis ein Jahr nach Ende der Vorlesung möglich. Alle Studierenden haben drei reguläre Möglichkeiten bzw. Antritte, um die Prüfung zu schreiben. Die StudentInnen und DozentInnen hier finde ich natürlich sehr nett.
GeMa: Woher stammen Sie und was haben Sie studiert?
CS: Ich stamme aus dem Burgenland und habe ganz nahe an der ungarischen Grenze gewohnt bzw. bin ich am Eisernen Vorhang aufgewachsen und nach der Matura bin ich zum Studium nach Wien gezogen. Da habe ich bis August 2016 gelebt. An der Universität Wien habe ich Germanistik und Geschichte studiert, es war eigentlich ein Lehramtsstudium. Im September danach habe ich mein einjähriges Unterrichtspraktikum an einem Gymnasium gemacht und gleichzeitig begonnen, bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu arbeiten. Ein Jahr darauf habe ich mein Doktoratsstudium begonnen, das ich auch jetzt noch mache. Seit letztem Juli bin ich im Lektoratsprogramm der OeAD GmbH und habe im Zuge dessen auch am ersten Teil des Zertifikatskurses „Kompetenzfeld Auslandslektorat“ am Postgraduate-Center der Universität Wien teilgenommen.
GeMa: Wo haben Sie schon gearbeitet?
CS: In meiner Schulzeit (mit 17) habe ich ein Praktikum im Gastgewerbe gemacht und auch die folgenden Jahre habe ich im Sommer als Kellnerin gearbeitet. Kurz nach dem Beginn meines Studiums bis zum Ende meines Studiums war ich Sekretärin bei einem Ziviltechniker. Wie bereits oben angesprochen, habe ich auch ein Jahr an einem Gymnasium unterrichtet. Auf Werkvertragsbasis habe ich beim ÖBV (Österreichischen Bundesverlag) bei der Digitalisierung bzw. der digitalen Aufbereitung und beim Korrektorat des Österreichischen Wörterbuchs mitgearbeitet. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) war ich unter anderem im Projekt Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich tätig. In den letzten Jahren habe ich mich auch mit Korpuslinguistik beschäftigt. Im Rahmen meiner Tätigkeit bei der ÖAW habe ich auch Vorträge gehalten, Aufsätze geschrieben, Tagungen organisiert und ein binationales Drittmittelprojekt koordiniert.
GeMa: Wie kamen Sie auf die Idee, nach Ungarn zu gehen und hier zu arbeiten?
CS: Wie ich schon erwähnt habe, stamme ich aus dem Burgenland, das an Ungarn grenzt und bis 1921 ein Teil Ungarns war. Ich wollte mehr über Ungarn erfahren, weil ich es ganz interessant finde und schon oft darüber nachgedacht habe, wie es gewesen wäre, wenn das Burgenland ein Teil Ungarns geblieben wäre. Einer meiner Vorfahren – mein Urgroßvater – war vermutlich ungarischsprachig. Er stammte aus der Gegend südöstlich meines Heimatortes, also aus dem heutigen Ungarn.
GeMa: Wie finden Sie eigentlich die ungarische Sprache und Szeged?
CS: Die Sprache finde ich sehr schön und nicht so kompliziert, wahrscheinlich sagen das hauptsächlich Menschen mit linguistischem Hintergrund. In Wien habe ich drei Sprachkurse besucht, die mir viel geholfen haben, aber leider konnte ich sie jetzt im Wintersemester nicht fortsetzen, da ich zu viel zu tun hatte. Die Grammatik ist meiner Meinung nach sehr interessant, weil sie – zumindest auf den ersten Blick – sehr regelmäßig ist. Diese Geschichte mit den Bindevokalen bedeutet kein Problem für mich und die Suffixe (z.B. ban, ben; tól, től) sind auch nicht so kompliziert. Natürlich möchte ich die Sprache noch besser lernen, aber ich kenne schon die Begrüßungen, kann im Restaurant bestellen und solche Dinge, die man eben am Anfang in einer Fremdsprache lernen muss.
Szeged ist die erste mittelgroße Stadt, in der ich lebe. Ich finde es sehr gut, dass man innerhalb des Tisza Lajos-Ringes alles zu Fuß erreichen kann. Die Menschen auf der Straße und in den Geschäften sind freundlich. Einmal ist es mir im Geschäft passiert, dass ich Topfen kaufen wollte, aber es sah wie ein Butterpaket aus, obwohl Túro draufstand. Ich wusste nicht, ob ich jetzt Topfen oder Butter gekauft hatte, aber zum Glück war es Topfen. Ich wollte nämlich Túrós Tészta (in meinem Heimatort sagen wir dazu Topfennockerl oder Topfenfleckerl mit Speck) machen.
GeMa: Was meinen Sie, welche Unterschiede gibt es zwischen der Lehre an der Uni in Österreich und in Ungarn?
CS: Ich habe nicht selbst an der Uni unterrichtet und mein Studienbeginn ist schon sehr lange her. Ein Doktoratsstudium lässt sich damit nicht vergleichen. Für mich war es damals eine neue Welt, da ich wirklich vom Land (ca. 2000 EinwohnerInnen) in eine Millionenstadt und damit in ein vollkommen anderes Umfeld gezogen bin. Der Beginn war deshalb sehr schwierig für mich und es hat mich sehr viel Überwindung gekostet, in den Lehrveranstaltungen an der Uni zu sprechen, vor allem auch, da die Seminare und Übungen teilweise oft von 40 oder mehr Studierenden besucht wurden. Deshalb kann ich die Studierenden hier verstehen, wenn sie sich zu Anfang nicht so recht trauen, im Sprachunterricht wirklich zu sprechen und mitzumachen. Ich hatte damals Hemmungen in meiner Muttersprache, daher denke ich, dass es nicht verwunderlich ist, wenn man bei einer neuen muttersprachlichen Lehrenden vielleicht nicht gleich besonders viel spricht. Meiner Meinung nach ist es mir aber relativ gut gelungen, die Studierenden im Laufe des Semesters dazu zu motivieren, in den Sprachübungen auch viel zu sprechen. Ohne Übung geht es nämlich nicht.
GeMa: Sie leiten zusammen mit Herrn Christoph Beeh das GeMa. Wie finden Sie die Arbeit bei dem Magazin?
CS: Sie ist anspruchsvoll, aber in diesem Semester gibt es nur wenige Leute. In der kleinen Gruppe ist es jedoch schwierig, die StudentInnen zu motivieren, etwas zum Text zu sagen. Deshalb habe ich verschiedene Kriterien zusammengestellt, die uns bei der Herangehensweise an die Texte und ihrer Bewertung helfen. Seit wir das so machen, läuft es ganz gut, denke ich. So haben nämlich alle aus der Gruppe etwas zu sagen. Bei einer größeren Gruppe wäre es kein Problem, dass die StudentInnen ihre Meinung zu einem Text äußern. Es könnte dann aber passieren, dass sich immer dieselben fünf bis sechs Leute melden.
GeMa: Wie finden Sie die Deutschkenntnisse der StudentInnen?
CS: In den Sprachübungen kann ich sagen, ziemlich gut, eigentlich besser als erwartet. Besonders bei den StudienanfängerInnen ist das Niveau aber relativ unterschiedlich, sodass es manchmal schwierig ist, das richtige Tempo zu wählen: eines, das die einen nicht über- und die anderen nicht unterfordert. Für manche ist es schwierig, sich auszudrücken, aber es ist unsere Aufgabe, alle innerhalb von drei Semestern in allen Sprachkompetenzbereichen auf C1-Niveau zu bringen, damit sie die Grundprüfung schaffen!
/Lívia Gyulai/