Ein Interview mit Dr. Attila Péteri
Im Wintersemester 2015/16 darf das Institut für Germanistik mit Dr. Attila Péteri einen Gastdozenten von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest willkommen heißen. Der ungarische Sprachwissenschaftler beschäftigt sich mit kontrastiver Linguistik, vergleicht dabei das Deutsche und Ungarische und kennt die Tücken dieser Sprachen aus seiner Zeit in der Praxis im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF). Zwischen seinen Veranstaltungen konnte er sich die Zeit für ein Interview mit dem GeMa nehmen.
GeMa: Sie pendeln zwischen Szeged und Budapest. Hatten Sie trotzdem bereits die Möglichkeit, sich Szeged näher anzuschauen?
Attila Péteri: Ich kenne Szeged bereits seit Langem und halte es für eine wirklich faszinierende Stadt. Im Vergleich zu Budapest, wo es durch den Verkehr sehr hektisch ist, ist Szeged wirklich eine Insel der Ruhe. Immer wenn ich hierherkomme, bin ich fasziniert und unternehme nach meinen Veranstaltungen gerne Spaziergänge.
GeMa: Erläutern Sie bitte für die Leser, die nicht selbst Ihre Veranstaltungen besuchen, was Sie in Szeged unterrichten.
A.P.: Hier in Szeged betreue ich drei Gruppen. Zum einen eine Vorlesung für Master- und Lehramtsstudenten – Deutsch im Kontrast –, wo wir eine deutsch-ungarisch kontrastive Grammatik mit der Lehrpraxis verbinden. Eine ähnliche Veranstaltung gebe ich für Bachelorstudenten im Übersetzungsmodul, wo der Fokus allerdings auf die Übersetzung und deren Schwierigkeiten gelegt wird. Und zu guter Letzt leite ich noch ein kleines Seminar für Master-Studenten und lege dort das Hauptaugenmerk auf die Verortung des Deutschen zwischen anderen europäischen Sprachen anhand der Aspekte Modalität und Wortstellung.
GeMa: Hatten Sie mit den Kollegen in Szeged schon früher Kontakt, gab es Berührungspunkte bei früheren Forschungsprojekten?
A. P.: Ja, ich kenne die Kollegen schon länger. Sechs Jahre lang haben wir zusammen an einem Forschungsprojekt gearbeitet: am EuroGr@mm-Projekt, das vom Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim organisiert wurde. Wir haben eine kontrastive Grammatik erstellt, wobei die deutsche Vorlage vom Mannheimer Institut kam und wir die ungarischen Entsprechungen angefertigt haben.[1] Dabei habe ich neben anderen mit Prof. Dr. Péter Bassola, Dr. Ewa Drewnowska-Vargáné und Dr. György Scheibl zusammengearbeitet.
GeMa: Umreißen Sie doch bitte kurz Ihren Forschungsschwerpunkt in eigenen Worten und erklären dabei den besonderen Reiz für Sie.
A. P.: Ich habe im Jahr der Wende mein Studium abgeschlossen und daraufhin eine Stelle als Assistent am germanistischen Institut der Eötvös-Loránd-Universität bekommen. Auf das Thema meiner Dissertation, die Modalpartikeln, kam ich durch meinen Doktorvater Prof. Dr. Vilmos Ágel, der übrigens auch lange Zeit eine Professorenstelle in Szeged innehatte und jetzt an der Universität Kassel arbeitet. Danach bin ich auch weiterhin bei der Modalität geblieben. Es war für mich immer spannend zu sehen, wie Sprechereinstellungen ausgedrückt werden können und habe anschließend Satzmodi untersucht und forsche aktuell zu Satzadverbien.
GeMa: Sie haben sich mit Partikeln im Deutschen wie im Ungarischen auseinandergesetzt. Welche Bedeutung messen Sie Partikeln im Allgemeinen, aber vor allem im DaF-Bereich zu? Gibt es bei der Sprachvermittlung besondere Probleme?
A. P.: Manchmal bin ich der Meinung, dass das Erlernen dieser Formen für Fremdsprachler viel wichtiger ist als eine strenge grammatische Korrektheit. Wenn man nicht über Partikeln verfügt, ist man nur in der Lage, Aussagen über die Welt zu treffen, aber nicht über sich selbst und man gibt nichts Persönliches preis. Was viel eher zu Missverständnissen führen kann als etwa ein falsch konjungiertes Verb. Im DaF-Bereich liegt das Problem darin, dass der Stellenwert der Partikeln sehr gering ist. Wenn sie allerdings von Anfang an mit in die Lehrbücher aufgenommen werden, sehe ich keine Schwierigkeiten für den Deutschlerner.
GeMa: In Ihren Seminaren versuchen Sie, Ihre Inhalte auch mit dem Forschungsgebiet der Literaturwissenschaft zu verknüpfen. Kommt die Kombination der beiden Teildisziplinen Ihrer Meinung nach in der Praxis zu kurz?
A. P.: Natürlich müssen wir bestimmte Abgrenzungen machen, wenn man Germanistik studiert. Germanistik besteht in erster Linie aus Linguistik und Literaturwissenschaft, bei den Lehramtstudenten kommt noch Didaktik hinzu. Und aus praktischen Gründen, weil wir nicht alles beherrschen können, müssen wir diese einzelnen Fächer abgrenzen. Aber in der Tat hängen die Fächer zusammen: Literatur arbeitet mit sprachlichen Mitteln und eignet sich gut, um die Wirkung dieser Mittel zu erkennen. Diese Dinge hängen zusammen und können nicht künstlich voneinander getrennt werden. Nach meiner Erfahrung wird diese Kombination von den Studenten auch sehr geschätzt und sie trägt dazu bei, die Sitzungen spannender zu gestalten.
GeMa: Haben Sie Tipps/Empfehlungen für angehende (Sprach-)Wissenschaftler?
A.P.: Das ist vielleicht die schwierigste Frage, weil wir aktuell erleben, dass Geisteswissenschaften wissenschaftspolitisch etwas benachteiligt werden, da es für uns manchmal schwierig ist, den konkreten, praktischen Nutzen jeder unserer Projekte darzulegen. Eine Entwicklung, die in Anbetracht der Geschichte spannend ist, da vor der aktuellen Dominanz der Naturwissenschaften jahrhundertelang Geisteswissenschaften vorherrschend waren. Wissenschaft bedeutete Philosophie oder Literatur. Und ohne die Geisteswissenschaften hätten sich Europa und die heutige Wissenschaft nicht zu dem entwicklen können, was sie heute sind. Und ich denke, dass dieser Einfluss weiterhin Bestand haben wird und rate daher allen nachrückenden Geisteswissenschaftlern, sich nicht zu sehr auf den Praxisbezug zu versteifen, sondern den Mut zu haben, weiterhin in vielleicht unpopuläre aber spannende Richtungen zu forschen.
/Jonas Sowa/