2015 hatten wir die Gelegenheit, den 150. Geburtstag der Wiener Ringstraße zu feiern. In Österreich wurden dazu zahlreiche Programme organisiert, aber auch Szeged feierte: unter der Kooperation mehrerer Institutionen (das Szegeder Burgmuseum, die Bibliothek der Universität Szeged; die Universitätslehrstühle für österreichische Literatur und Kultur sowie für deutsche Literaturwissenschaft) kam eine dreitägige Tagung mit vielfältigen Vorträgen zustande. Die Tagung wurde mit Hilfe des TÁMOP-Programms1 finanziert.
Am 30. September 2015 fand die Eröffnung der Ausstellung über die Geschichte des berühmten Rings in Wien statt. Diese Ausstellung in der UB Szeged wurde vom Österreichisches Kulturforum unterstützt und neben der Direktorin der Universitätsbibliothek, Frau Dr. Katalin Keveházi und Lehrstuhlinhaber Herrn Dr. habil. Attila Bombitz, sprach Kulturattaché und stellvertretende Direktorin des Forums, Frau Dr. Barbara Pfeiffer, einleitende Worte. Es wurden Fotoleinwände ausgestellt, die den Interessenten sowohl auf Ungarisch als auch auf Deutsch Informationen gaben, wie zum Beispiel wie die Ringstraße in den verschiedenen Phasen der Bauarbeiten aussah oder wie der Bauprozess ablief. So konnte man ein umfassendes Bild vom Ring von seinen Anfängen bis heute bekommen. Die Pracht und die Monumentalität, die für den Ring besonders charakteristisch sind, dienten vielen Künstlern als Inspiration, zum Beispiel dem Maler Gustav Klimt oder den ungarischen Schriftstellern Kálmán Mikszáth und Frigyes Karinthy.
Im direkten Anschluss an die Eröffnung wurde ein Stadtrundgang in Szeged unter der Leitung eines ehemaligen Germanistikstudierenden, Gábor Váradi, angeboten. Nicht nur die bekannten touristischen Sehenswürdigkeiten, sondern auch örtliche Besonderheiten und Kuriosa wurden auf dem Gang vorgestellt, zum Beispiel das Szegeder Nationaltheater oder das Ranking der misslungensten Denkmäler der Stadt. Mehrere Gäste waren zum ersten Mal in der Stadt, sodass der Rundgang ein stimmungsvoller Auftakt zur Konferenz war. Die persönliche Begegnung mit der Stadt weckte die Neugierde auf die kommenden zwei Tage.
Am 1. und 2. Oktober beherbergte das Burg-Museum Szeged die Vorträge. Dieses Museum bot dank seiner besonderen Atmosphäre einen perfekten Platz für diese Vorstellungen. Es gilt als eines der wichtigsten mittelalterlichen Denkmäler der Stadt. Von morgens bis abends hatte man die Möglichkeit, den Ring aus vielen verschiedenen Aspekten kennenzulernen: Literatur, Geschichte, Alltagsleben, kulturelle Vielfältigkeit — die Wiener Sehenswürdigkeiten bieten in allen Bereichen des Lebens einen spannenden Anlass zum Gespräch und die Vortragenden teilten mit großem Eifer und voller Begeisterung ihr Wissen über die Ringstraße mit.
Aber, wie der Name der Tagung auch zeigt, nicht nur Wien, sondern auch Budapest und Szeged waren im Programmangebot. In diesen zwei ungarischen Städten gibt es ähnlich abenteuerliche Straßen mit nennenswerter Geschichte. So konnte man unter anderem Budapest durch Gyula Krúdys Prosa betrachten oder etwas über den Wiederaufbau von Szeged nach dem Hochwasser im 19. Jahrhundert erfahren. Diese Katastrophe, die im Frühling 1879 geschah, war ein riesiger Schlag für unsere Stadt. Die Theiß wütete und die damalige Stadt erlitt schwerwiegenden Schaden, sodass es kein Wunder ist, dass Mikszáth in seiner Reportageserie über diese Zerstörung berichtet. Er war persönlich an den verschiedenen Schauplätzen des Hochwassers anwesend, beim Rathaus und auch an den Dämmen. Die Reportagen hatten großen Erfolg und sie erschienen in der Szegeder Tageszeitung, dem Szegeder Journal (Szegedi Napló).
Der Budapester Ring nach Art des Fibonacci
Man kann nicht wissen, wie Szeged heute ohne diese Katastrophe aussehen würde, aber es ist sicher, dass der Zwang zum Wiederaufbau das Errichten mehrerer neuer, moderner Gebäude ermöglichte, wie zum Beispiel des Nationaltheaters, des neuen Rathauses oder des Postpalastes. Viele Gebäude wurden schwer beschädigt, aber die Renovierungen begannen bald mithilfe anderer europäischer Städte, wie zum Beispiel London, Paris und Berlin. Um die Dankbarkeit auszudrücken, wurden Abschnitte des sogenannten Großen Rings nach den helfenden Städten genannt, wie zum Beispiel „Londoni körút“, „Párizsi körút“. Das veraltete Stadtbild wurde so durch eine moderne, übersichtliche Stadtkonstruktion ersetzt.
Die drei Tage brachten Wien, Budapest und Szeged in eine Einheit: Einheit der Kultur, der Geschichte und der Monumentalität. Das vermittelte Wissen fordert einen auf, die Umgebung um sich herum noch genauer zu betrachten.
In Wien mit den Straßenbahnen entlang des Ringes fahren, in Budapest auf den Straßen wie die im 19. Jahrhundert lebenden Künstler lustwandeln, in Szeged zwischen Theiß und Theater spazieren gehen – die Atmosphäre dieser Momente bleibt immer einzigartig, und man kann sich glücklich schätzen, zumindest einen Teil davon im eigenen Leben zu erfahren.
1: Abkürzung für: Társadalmi Megújulás Operatív Program (Operatives Programm für Gesellschaftliche Erneuerung). Die Regierung Ungarns und die EU finanzieren damit Schulen, Organisationen und Unternehmen. Dieses Programm ist als eine „Investition in die Zukunft“ gedacht.
/Anikó Szabó, Enikő Mikis/
Bilderquellen: ringview.vienna.info; www.urbanista.blog.hu; www.ativizig.hu; www.panoramio.com
Quelle des Beitragsbildes: www.vilagutazo.net