Das ist kein Märchen!

Autor: László Vál

Zeitung: 2014/2

Rubriken: Interviews, Studium

Ein Gespräch mit dem Direktor des Szegeder Grimm Verlags

Der Verlag, der seinen Namen nach den berühmten Gebrüdern Grimm bekam, ist eines der bekanntesten Unternehmen in Szeged, das nicht nur mit ein- und zweisprachigen Wörterbüchern, sondern auch mit fremdsprachigen Büchern handelt. GeMa hat jetzt die Gelegenheit ergriffen, ein Interview mit dem Direktor des Grimm Verlags
László Borbás zu führen, der auch ein ehemaliger Germanistikstudent der Universität Szeged ist.

Herr Borbás, ich begrüße Sie ganz herzlich. Es freut mich sehr, dass ich mit Ihnen ein Interview führen darf. Stellen Sie sich bitte kurz vor!

Mein Studium habe ich an der Universität Szeged absolviert. Damals trug sie noch den Namen JATE [Anm. d. Red.: József Attila Tudományegyetem, kurz JATE] und es war für mich wirklich eine große Freude, an der Universität zu studieren und mir umfangreiches und nützliches Wissen anzueignen, sowie auch die Gelegenheit zu haben, mich sowohl mit literarischen als auch mit sprachlichen Aspekten befassen zu können. Damals bekam ich sehr viel von der Universität, unter anderem auch den Mut, meine Arbeit, die ich noch vor dem Studium begonnen habe, fortzusetzen und mich in bestimmte Bereiche einzuarbeiten. Ansonsten bin ich nämlich mütterlicherseits Deutscher.

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In diesem Sinne war Deutsch in meinem Leben immer präsent. Seit meinem achten Lebensjahr beschäftige ich mich mit Büchern. Meine Mutter war Buchhändlerin und als Kind war ich sehr oft bei ihr im Laden und habe Bücher verkauft. Da bei uns zu Hause immer das Buch das Hauptthema war, hatte ich eine sehr enge Verbindung zu Büchern.

Wann wurde der Grimm Verlag gegründet? Was hat er sich zum Ziel gesetzt?

Seit 1991 betreuen wir in Ungarn das einzige völlig neue Wörterbuchprogramm. Mit der Wörterbuchausgabe haben wir 1996 angefangen. Damals haben wir einfach daran gedacht, dass wir unbedingt ein seriöses, authentisches Programm für Fremdsprachen entwickeln möchten. Das war also das Hauptziel. Darüber hinaus war es noch interessant, dass wir von Jahr zu Jahr immer wieder neue Anfragen von Autoren bekommen haben, ob wir dann auch ihre Wörterbücher betreuen würden. Es war aber am Anfang überhaupt nicht gewiss und eindeutig, dass wir die Lexikographie als ein für uns maßgebendes Feld betrachten würden.

Sind Sie auch als Lexikograph beim Grimm Verlag tätig?

Nein. Ich bin natürlich dadurch, dass ich Lexikographie und Lexikologie an der Uni studiert habe, bei manchen Wörterbuchprojekten teilweise behilflich gewesen. Aber das ich so richtig als Lexikograph bei den Wörterbüchern gearbeitet hätte, ist überhaupt nicht der Fall. Ich begleite nur die Projekte, damit ich auch überblicken kann, woran wir überhaupt arbeiten, zu welchem Ergebnis wir kommen möchten.

Für Germanisten ist es selbstverständlich, warum der Verlag ausgerechnet den Namen Grimm bekommen hat, aber für die Öffentlichkeit ist es schon wahrscheinlich nicht überwiegend eindeutig…

Ja, also viele denken, dass wir den Namen nach den Volksmärchen gewählt haben. Das wäre übrigens keine falsche Folgerung. Allerdings haben wir in erster Linie wegen der linguistischen und selbstverständlich wegen der lexikographischen Tätigkeit der Gebrüder Grimm diesen Namen gewählt.

Wie viele Wörterbuchtypen hat der Verlag bisher herausgegeben?
In welchen Sprachen?

Wir sind gerade bei 79 Wörterbüchern, die alle Neuentwicklungen sind. Natürlich gibt es solche, die wir vom fremdsprachigen Korpus herausgehend vom Langenscheidt Verlag übernommen, aber natürlich auf Ungarisch überarbeitet haben. Die Mehrzahl der Wörterbücher ist als Erstauflage bei uns erschienen, worauf wir sehr stolz sind. Was die Sprachen betrifft, natürlich haben wir Wörterbücher zum Deutschen, Englischen, Spanischen, Italienischen, Holländischen und nicht zuletzt auch zum Russischen. Das ist sehr wichtig, dass wir in unserem Wörterbuchprogramm eine völlig neue Konzeption aufgebaut haben. Seit Jahrzehnten sind wir auf dem ungarischen Wörterbuchmarkt nur solchen Wörterbüchern begegnet, die sich praktisch nur im Umfang unterschieden haben.

Woher sollten SchülerInnen wissen, welches Wörterbuch sie brauchen? Was sind zum Beispiel die wesentlichen Unterschiede zwischen den Grimm Lernwörterbüchern und Handwörterbüchern?

Bei einer solchen Entscheidung spielt – meiner Meinung nach – der Lehrer die Hauptrolle. Also der Lehrer sollte ganz genau bestimmen, was für die Lernenden die beste Wahl ist. Daran arbeiten wir seit über 12 Jahren, dass wir dementsprechend den Fremdsprachenlehrern immer wieder Weiterbildungen anbieten. An diesen Weiterbildungen, vor allem didaktischen Weiterbildungen, machen wir es den Lehrern klar, welches Wörterbuch welcher Zielgruppe gedacht wurde. Wir arbeiten gerade mit 3900 Lehrern zusammen, ansonsten sind wir insgesamt mit 8000 Fremdsprachenlehrern in Kontakt.

Hat der Verlagschon irgendeinen Preis für die Wörterbücher als Anerkennung bekommen? Welche Erfolge kann der Verlag vorweisen?

Es ist selbst schon eine Anerkennung, wenn wir diese Frage bekommen. /er lächelt/  Es geht nämlich um den Preis „Kiváló Magyar Szótár“, der durch die lexikographische Arbeitsgruppe der Ungarischen Akademie der Wissenschaften verliehen wird. Dieser Preis ist die einzige authentische und unabhängige Anerkennung für lexikographische Arbeiten in Ungarn.
Es wurde 2007 zum ersten Mal ausgeschrieben und seitdem war es insgesamt viermal verliehen. Die wichtigen und berühmten Verlage, wie Ozirisz, Tinta oder Akadémia haben diesen Preis viermal erhalten, wir elfmal.

Könnten Sie uns einige Beispiele erwähnen, warum es sich lohnt, ein Grimm Wörterbuch zu kaufen? Was sind also die wichtigsten Vorteile eines Grimm Wörterbuches?

Ja, etwa hundert Vorteile würde ich sofort sagen können. /er lächelt/ Allerdings ist das Wichtigste, dass die Sprache in einem Wörterbuch aktuell sein soll. Das bezieht sich nicht nur auf den Wortschatz, sondern auch auf die Beispiele, Kollokationen und den bilateralen Zusammenhang. Das sind die wichtigsten Merkmale eines guten Wörterbuches.

Im Frühling 2014 wurde eine Präsentation in der Szegeder Bibliothek gehalten, in der das neue Grimm Online Wörterbuch dargestellt wurde. Wie funktioniert es? Ist es unter den Benutzern populär geworden?

Was die erste Frage betrifft, ist es einfach zu beantworten. Das ist nämlich das modernste Online Wörterbuchsystem Europas. Wir haben so ein Wörterbuch entwickelt, wo der Benutzer die Bedeutung immer in einem Kontext findet und dementsprechend das geeignete Äquivalent selbst finden und beurteilen kann. Was die andere Hälfte der Frage betrifft, ist es schwieriger zu beurteilen, was man als erfolgreich betrachtet. Wir haben etwa 12.000 Benutzer und sind darüber natürlich sehr froh, aber das ist bei weitem nicht genug. Wir sind noch sehr weit von der Zahl, die wir erzielen wollen.

Was sind die Zukunftspläne des Verlags?

Fürs nächste Jahr im Februar planen wir ein großes Projekt, das wir schon zusammengestellt haben. Wir werden ganz neue Mobil-Applikationen entwickeln. Sobald wir diese Mobil-Applikationen haben werden, werden wir einen direkten Zugang zu den Smartphones haben.

Früher studierten Sie auch Germanistik. Jetzt sind Sie der Direktor eines berühmten und anerkannten Verlags. Gibt es in Ihrem Leben noch weitere Bereiche, in denen Sie sich als ehemaliger Germanistikstudent einen Vorteil verspüren?

Die einfachste Antwort wäre: in allen Bereichen des Lebens. Aber das ist nur in dem Fall wahr, wenn wir das Wissen, die Emotionen, alles, was wir im Rahmen unseres Studiums bekommen, erlebt und gespürt haben, wirklich so, wie die sind, immer mit dabei haben möchten. Bei mir ist es der Fall, weil ich mich jeden Tag mit Fremdsprachen beschäftige. Wenn man das so richtig in das Leben einbauen möchte, dann kriegt man das Mehrfache wieder, was man bekommen und erworben hat.

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Was würden Sie zum Schluss den jetzigen Germanistikstudenten vorschlagen, um eine ähnliche und erfolgreiche Karriere zu machen?

Man soll sich mit der Tätigkeit beschäftigen, an der man Lust und Freude hat. Wenn wir die Sprache als Freudefaktor nehmen, sind wir bereits auf dem richtigen Weg. Wenn wir diese Freude an der Sprache wirklich erleben wollen, werden wir viel mehr bestimmen können, wo wir überhaupt eine Chance nutzen sollten oder finden können.
Die Sprache in sich ist eine wunderbare Arbeit. Das Wichtigste ist, die Sprache als Freudenquelle zu nehmen. Also den Punkt zu finden, wo wir diese Freude finden können. Man muss nicht unbedingt Musterstudent sein und muss nicht unbedingt immer wieder den ersten Platz erringen. Nein… Man muss in seinem eigenen Leben den ersten Platz haben.

Herr Borbás, wir sind jetzt leider zum Schluss gekommen und damit möchte ich mich bei Ihnen für das Interview bedanken. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!

 

/László Vál/

Bildquelle:

Fotos von László Vál