Abenteuer, Studieren, Unterhaltung und Kultur – das alles konnten die „sieben kleinen Germanisten“ der Universität Szeged während einer 10-tägigen Studienreise erleben. Dank des Balassi Instituts haben die Studierenden ein Stipendium bekommen, um nach Kassel und Göttingen zu fahren, und dabei die bestehende Partnerschaft zu diesen Universitäten hautnah zu erleben und gleichzeitig auch Repräsentanten dieser Partnerschaft zu sein.
Willkommen in Kassel – Stadt der Brüder Grimm
1. Februar, 5:47 Uhr: „Der Zug nach Budapest-Nyugati fährt sofort ab, bitte beenden Sie den Einstieg“, so lautete der Beginn unserer Reise ins Herz Deutschlands. Nach vierzehn langen und anstrengenden Stunden sind wir glücklich in Kassel angekommen, und nachdem wir uns im Hostel erholt hatten, machten wir uns auf, die Stadt kennen zu lernen. Dabei kamen uns drei Germanisten der Universität Kassel und eine Szegeder Germanistin zur Hilfe. Sie erzählten uns die wichtigsten Informationen über Kassel und zeigten den Campus. Die Stadt verfügt leider nur über wenige historische Gebäude, da Kassel im Zweiten Weltkrieg aufgrund einer vorhandenen Stahlfabrik intensiv bombadiert und zum größten Teil zerstört wurde. Anstelle der einstigen Fabrik befindet sich heute der Campus der Universität.
Mit den roten Ziegeln, die als Baumaterial für die Hörsäle und vielen Seminargebäude verwandt wurden, sowie mit dem Denkmal der Zwangsarbeiter lebt dieses Ereignis in der Erinnerung der Menschen weiter. Noch am selben Tag hatten wir die Möglichkeit, das bekannte und beliebte Herkules-Denkmal anzuschauen und einen Spaziergang im Schlosspark zu machen. Bei dieser Gelegenheit trafen wir uns mit Prof. Dr. Vilmos Ágel und Annika Leistner. Herr Ágel ist der Leiter und Frau Leistner ist die Koordinatorin des internationalen Masterprogramms, das seit 2009 dank der Kooperation zwischen den Universitäten von Szeged und Kassel für die Studierenden angeboten wird.
Das Unileben macht nicht nur in Szeged Spaß
Nach dem Ausflug begann die ernsthafte Arbeit, indem wir die Universitätsbibliothek besuchten und Fachliteratur für unsere Diplomarbeiten und weiteren Studien recherchierten. Zahlreiche deutsch-und englischsprachige Bücher, Monographien usw. standen uns zur Verfügung, und damit wurden unsere „Privatsammlungen“ um wertvolles Wissen bereichert. Beim Bibliotheksbesuch schloss sich uns unser Institutsleiter Dr. habil. Endre Hárs an und begleitete uns im Weiteren bei unserer Reise. Nach dem Bibliotheksbesuch konnten wir an einem Seminar von Prof. Dr. Achim Barsch teilnehmen, das „Hochschule als Thema von Literatur und Film“ als Titel hatte, und hierbei hielten drei Studentinnen der Gruppe – Bernadett Kiss, Natália Nuszpán und Anikó Toldi – Referate und es wurde „Die Burg“ von Alois Brandstetter gemeinsam mit den deutschen Studierenden besprochen.
Die größte Begeisterung löste aber der neue Kinohit Deutschlands „Fack ju Göhte“ (2013, mit Elyas M’Barek und Karoline Herfurth, Regie: Bora Dagtekin) aus, den sich die Gruppe am Abend im Kino anschaute. Der Film handelt von einem frisch aus dem Knast entlassenen Mann, Zeki Müller. Seine beste Freundin hat damals gestohlenes Geld auf einer Baustelle versteckt, aber jetzt steht eine Schule da… Wie es weitergeht, sollte man sich selbst anschauen. Liebe, “Drama”, Probleme des Lehrer- und Schülerseins und viel viel Spaß ist garantiert!
Der Film gab uns die Energie zur weiteren Arbeit. Wir hatten die Möglichkeit, weitere Seminare von Herrn Ágel und Herrn Barsch zu besuchen, die sich mit Linguistik aus einer literarischen Perspektive, Literaturdidaktik und Medienwissenschaft aus soziologischer Sicht beschäftigten. In der Sitzung „Interpunktion bei Uwe Timm“ besprachen wir die Wichtigkeit dieses grammatischen Phänomens an den Beispieltexten des zeitgenössichen Autors Uwe Timm, in der Vorlesung „Literaturdidaktik“ erfuhren wir mehr über Kinder-und Jugendliteratur, und in dem Seminar „Jugendmedienschutz“ hörten wir Referate über die Zensur in Animes wie „Sailor Moon“ und „Dragon Ball Z“ und über die ursprünglichen Versionen von Kindermärchen der Brüder Grimm.
Am nächsten waren wir zur Tagung „Pop und Populärkultur“ eingeladen, im Anschluss konnten wir uns im Rahmen des Seminars von Frau Manuela Böhm die Referate von Máté Huber und Eszter Illés über die Sprache der deutschen Minderheit in Ungarn anhören. Das Interessanteste wartete jedoch noch auf uns. Prof. Dr. Holger Ehrhardt, Forscher über die Grimm-Brüder und Mitarbeiter der Kasseler Universität, präsentierte uns die Ergebnisse seiner letzten Forschungen in der Form eines Stadtrundganges. Mit Hilfe zeitgenössischer und heutiger Karten, Darstellungen und Erzählungen zeigte er uns die ehemaligen „Grimm-Gebäude“ und erzählte die dazu gehörenden Anekdoten. Die ehemaligen Wohnhäuser, Schulen und Arbeitsplätze von Jakob und Wilhelm Grimm sind leider nicht mehr so zu sehen, wie und wo sie sich ursprünglich befanden, trotzdem fühlte man sich dank der eindrucksvollen Präsentation von Herrn Ehrhardt wie in einer Zeitreise. Seine Begeisterung, wie er das ohnehin interessante Thema vortrug, fanden wir alle hinreißend.
Die Reise geht weiter – Studentenparadies Göttingen
Obwohl wir noch gerne einige Zeit in Kassel verbracht hätten, mussten wir weiterfahren, um die Schönheit von Göttingen zu entdecken und die schon begonnene Recherche fortzusetzen. Vorher aber machten wir einen kleinen Ausflug und Stadtrundgang in Hannoversch Münden. Diese Kleinstadt ist ein echtes Touristenparadies, die schönen historischen Gebäude und ihre eigenartige Atmosphäre können kaum in Worte gefasst werden.
Nach unserer Ankunft in Göttingen stürzten wir uns in die Arbeit: In der Unibibliothek ging es mit der Recherche weiter – wesentlich erleichtert durch den günstigen Umstand, dass man da die ausgewählte Literatur kostenlos einscannen und mitnehmen darf. Zu verdanken ist dies einem Abkommen der Universität über urheberrechtliche Regelungen. Darüber hinaus stand uns nicht nur die zentrale Bibliothek, sondern auch die Sammlung des Seminars für Deutsche Philologie zur Verfügung. Erfreulicherweise konnten wir Herrn Prof. Dr. Gerhard Lauer treffen, der uns in einem gutgelaunten Gespräch über das Universitäts- und Forschungsleben an der Uni Göttingen erzählte.
Ein bisschen Spaß muss auch sein
In Göttingen hatten wir ein viel lockereres Programm als in Kassel, das bedeutete aber nicht, dass wir den ganzen Tag auf der faulen Haut gelegen haben. Wir flanierten durch die Stadt und schauten uns alle Sehenswürdigkeiten an, außerdem nahmen wir auch an einigen kulturellen Programmen teil, wie zum Beispiel an einem Symphoniekonzert und an einer Theateraufführung. Das Konzert des Göttinger Orchesters fand in der Johanniskirche statt und begeisterte alle Anwesenden. Einige von uns waren zur gleichen Zeit im Deutschen Theater, wo sie sich das bekannte Stück „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt anschauten. [Das Stück läuft zur Zeit auch im Szegeder Theater. Anm. der Red.]
Rasch vergingen die letzten Tage, und bald ging es auch schon wieder nach Hause. Die 14 Stunden Fahrt haben uns jedoch kaum etwas ausgemacht, da wir voller Erlebnisse und schöner Erinnerungen waren, die wir unbedingt untereinander austauschen und somit wiedererleben wollten. Gleichzeitig entstand ein Lied, das „die sieben kleinen Germanisten“ als Titel bekam. Melodie und Grundkonzept des Liedes sind mit dem bekannten Hit über die „Zehn kleine[n] Jägermeister“ von den Toten Hosen identisch, unser Text ist aber auf unsere Reiseerfahrungen ausgerichtet.
„Sieben kleine Germanisten waren nicht gerne allein, so luden sie zum Kasselfest 4 MA Studenten ein..“ – so lautet der Anfang, aber wie es weitergeht, bleibt das Geheimnis der Gruppe.
10. Februar, 22:15 Uhr: „Der Zug aus Budapest-Nyugati ist auf Gleis 5 eingefahren. Wir begrüßen unsere Passagiere“. Viele Erfahrungen, neues Wissen, internationale Freundschaften und eine unvergessliche Zeit, das bedeuten uns Kassel und Göttingen, und eine Wiederkehr ist erwünscht.
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„Ich will auch mitmachen – aber wie?“
Wer etwas Ähnliches erleben und sich sein eigenes „Meisterwerk“ komponieren möchte, hat zahlreiche Möglichkeiten. Eimal kann man sich um ein Erasmus-Stipendium nach Göttingen oder um einen Studienplatz im Rahmen des gemeinsamen Masterprogramms von Kassel und Szeged bewerben. Diejenigen, die aber nur eine kurze, aber eindrucksvolle Zeit in Deutschland verbringen wollen, können im einschlägigen Angebot des Balassi Instituts ein passendes Stipendium aussuchen.
Mehr Informationen zum Double-Degree-Programm der Universität Kassel und Szeged, zum Seminar der Deuschen Philologie in Göttingen und zum Balassi Institut findet ihr unter:
http://www2.arts.u-szeged.hu/german
http://www.uni-goettingen.de/de/15027.html
Und noch etwas: In einigen Wochen ist der von uns gedrehte Film über unsere Studienreise auf der Homepage des Instituts erreichbar.
/Anikó Toldi/