Der gewinnende Verlierer

Autor: Máté Sásdi

Zeitung: 2014/1

Rubriken: Freizeit, Kultur

Nun, Comedy-Liebhaber, gebt fein Acht! Der Publikumsliebling Bjarne Mädel feiert seinen sechsundvierzigsten Geburtstag heute, am März 12. Der neueste Film, in dem wir ihn sehen können, Stromberg – der Film, läuft seit dem 20. Februar in den deutschen Kinos. Stromberg – die Serie selbst lief acht lange Jahre und brachte dem früher relativ unbekannten Herrn Mädel seinen Durchbruch: er spielte den liebenswerten Verlierer und das Mobbingopfer des Büros, den Ernie. Hoppla! Berthold, wollte ich sagen. Seitdem hatte er seine ganz eigene Serie, in der er den ungewöhnlichsten Helden – den ich bis dato sah – spielt: Der Tatortreiniger. Hier geht es um das Leben und die abenteuerlichen Begegnungen des  Heiko „Schotty“  Schotte, „dessen Arbeit da anfängt, wo andere sich vor Entsetzen übergeben.“ Die Serie hat schon zweimal den Adolf Grimme-Preis gewonnen – dieser Preis ist einer der renommiertesten Preise für deutsche Fernsehserien. Mädel wurde im Jahr 2012 als bester Hauptdarsteller in einer Comedy-Serie ausgezeichnet. Längst überfällig!

8_Der_Tatortreiniger_Ueber_den_WolkenAus „Der Tatortreiniger“ /Über den Wolken/

Mädel wurde berühmt für seine Darstellung des liebenswerten Verlierers. Er könnte ein Opfer der Typisierung sein, aber ich bezweifle, dass irgendjemand damit Probleme hat – er spielt seine Rollen in einer unterhaltsamen Art und Weise. Jedoch geht seine preisgekrönte Rolle als „Schotty“ in Der Tatortreiniger tiefer als seine bisherigen Rollen – vielleicht, weil die ganze Show mehr ist als übliche Comedy. Da steckt mehr dahinter. Der Titel klingt wie ein Krimi, aber derjenige, der tatsächlich Polizeiarbeit erwartet, wird enttäuscht sein. Schotty erklärt in der ersten Folge, dass diese Show nichts mit Krimis zu tun hat. Die Zuschauer können nicht das Lösen eines Verbrechens mit verfolgen, sondern die Entwicklung Schottys und der Menschen, die er trifft. Was steht also im Zentrum? Es geht um die Interaktionen der Charaktere, von denen es nicht viele in einer Folge gibt, meist zwei plus Nebencharaktere. Ihr   Geplänkel ist sowohl amüsant als auch ernsthaft. Das Skript ist wirklich ein Erfolg und verdient den Grimme-Preis.

schottys kampf Aus „Der Tatortreiniger“ /Schottys Kampf/

In einer idealen Welt würde die Serie in der Hauptsendezeit ausgestrahlt werden. Warum der NDR (Norddeutscher Rundfunk) die Serie im sogenannten „finstersten Winkel des deutschen Fernsehens“, d.h. spät nachts, ausstrahlt, ist jedoch ein Rätsel. Vielleicht kommt der NDR nun, da die Serie und Herr Mädel preisgekrönt sind, endlich zur Vernunft. Man munkelt auch, dass sogar das amerikanische Fernsehen großes Interesse an der Serie zeigt.

Shottys Stern steigt, jedoch langsam, denn es war nicht immer einfach für den Preisträger. Als die Serie Ende 2011 erstmalig ausgestrahlt wurde, beobachteten kaum zwanzigtausend seine Abenteuer. Fairerweise muss man betonen, dass die Folgen vom NDR zu den verrücktesten Stunden ausgestrahlt wurden: Dann, wenn die Sonne in den Morgenhimmel emporstieg, kam Schotty auf den Fernsehbildschirm. Drei Jahre und leider nur neun Folgen später, unterhält Mädel fast eine Million und hat seine eigene Anhängerschaft.

Mädel musste auch selbst in seiner Kindheit Erfahrungen mit Mobbing sammeln. In der Schule, so erzählte der Schauspieler in einem Interview mit dem Spiegel, nannten ihn seine Mitschüler „Bjarne, das Mädchen“. Er war komisch klein: nur etwa 133 Zentimeter, und aus irgendeinem Grund, vielleicht als Wink des Schicksals, ließ er sich die Haare lang wachsen. Heute ist er kein haariger Zwerg mehr. Wie lautet das Sprichwort? Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Anscheinend stellen ihm die Leute die seltsamsten Fragen, zum Beispiel ob sein Klingelton derselbe wie Schottys ist, oder ob er im wahren Leben auch als Tatortreiniger arbeiten möchte. Der arme Mann muss jedes Mal erklären, dass er eigentlich gar nicht wie seine Figuren denkt, der Gedanke an Tod und Blut bereitet ihm Unbehagen. Komischerweise gibt es die eine Sache, die er gemeinsam mit seinem Charakter „Schotty“ hat: Er hat viel Erfahrung mit Reinigungsmitteln! Wie sich herausstellte, hat Mädel einst als Klinkenputzer, also als Tür-zu-Tür-Verkäufer, in den USA gearbeitet, und als eine seltsame Wendung des Schicksals verkaufte er dabei Putzmittel.

Durch seine Rollen, früher als „Ernie“ und jetzt als „Schotty“, wurde er zu einer Kultfigur. Natürlich stört ihn das nicht im Geringsten. Er hält sich für sehr glücklich und sagte dem Spiegel: „Wenn man etwas, was man gut findet, mit einer gewissen Konsequenz macht, kann im Glücksfall auch so etwas wie Kult dabei entstehen. Kult lässt sich aber nicht planen.” Erfolgreich, aber immer noch bescheiden – alles Gute zum Geburtstag, Bjarne! Und, liebe LeserInnen, wenn Sie Lust darauf haben, eine etwas wortkarge dunkle Komödie zu sehen, Der Tatortreiniger ist seine Zeit ganz sicher wert.

/Máté Sásdi/

Wenn Sie mehr von dem Spiegelinterviews lesen wollen, folgen Sie den Links:

http://www.spiegel.de/kultur/tv/der-tatortreiniger-neue-folgen-mit-bjarne-maedel-im-ndr-a-942001.html

http://www.spiegel.de/kultur/tv/kultserie-der-tatortreiniger-bjarne-maedel-in-drei-neuen-folgen-a-873849.html

http://www.spiegel.de/kultur/tv/gute-einschaltquoten-fuer-tatortreiniger-mit-bjarne-maedel-a-942409.html

Quelle des Beitragsbildes: www.cicero.de

Quelle der Bilder:

www.moviepilot.de

www.serien-load.de