Die Schlacht im Teutoburger Wald

Autor: Christiana Gules

Zeitung: 2013/2

Rubriken: Germanistik, Geschichte

Ein kleiner historischer Exkurs in die Zeit vor 2005 Jahrenaufgrund des Buches von Ralf-Peter Märtin: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. (2. Aufl., Frankfurt am Main 2010)

Es passierte im Jahre 9 nach Chr. Es war Herbst. Eine alte Geschichte über Verrat, Hinterhalt und List. Ein wenig History Channel, ein wenig Ridley Scott. Eine Blockbuster-verdächtige Story mit großen Gefühlen und viel Blut. Von römischen Historikern zensiert und dramatisiert, von deutschen Völkischen* ideologisiert.

hermannsdenkmal

Es gab einmal ein Volk an der Weser, dessen Name als der Stammesverband der Cherusker in die Geschichte eingegangen ist. Wer sie waren, was sie machten, weiß man nicht genau, bekannt ist nur, dass um das Jahr 4 n. Chr. der damalige Oberbefehlshaber der römischen Armee, Tiberius, dieses Volk zusammen mit anderen besiegen und somit die Provinz Germania bis zur Elbe etablieren konnte. Danach musste er nach Pannonien ziehen, wo die einheimischen Stämme gegen die römische Unterdrückung einen Aufstand entfacht haben. Doch damit der Erfolg der eroberten Gebiete bis zur Elbe auch auf Dauer bleibt, schloss der römische Heeresführer ein Bündnis mit dem Stammeshaupt Segimer und nahm dessen Sohn in seinen Truppen auf. Der Vater bekam das römische Bürgerrecht und als Gegenleistung musste er sein Volk in die kultivierte und friedliche Lebensweise der Römer einführen. Während Segimer die Traditionen wegmoderierte, erlernte Arminius in Pannonien und Dalmatien alles, was man als römischer Soldat zu wissen brauchte. Und damit es zu keinen Unzufriedenheiten kommt wie in Pannonien, wurde der erfahrene Diplomat Publius Quinctilius Varus nach Germanien geschickt. Ihm gelang es früher schon ernsthafte Konflikte in Syrien und Palästina zu entschärfen, also sollte Germanien zwar kein Kinderspiel, doch schon etwas leichter zu regieren sein. Sein Befehl lautete den Status Quo zu etablieren und den Frieden zu bewahren. Dafür bekam er fünf Legionen. So viel Macht hatte der gemütliche Statthalter noch nie erteilt bekommen. Der inzwischen über 70 Jahre alte Kaiser Augustus vertraute ihm vollkommen.

Herman-Arminius

Zu Beginn seiner Regierungszeit lief alles richtig flott. Varus erwies sich als ein sehr verständnisvoller und hilfsbereiter Politiker. Da er oft einige Truppen den germanischen Stämmen geliehen haben soll, als Leibwächter bei Umzügen zum Beispiel, nahm die Zahl seiner Anhänger stetig zu. Viele Historiker wollen hingegen den Grund seines schmachvollen Untergangs in seiner grauenvollen Regierungsweise zu finden wissen, doch die ihm vorgeworfene erbarmungslose Besteuerung war eine aus Rom verordnete Verpflichtung, und Varus, dessen Vater zusammen mit Brutus und Cassius bei Philippi 42 v. Chr. in sein Schwert fiel, hatte persönlich nichts damit zu tun.

varus maske

Als sich der Sohn des Cheruskeranführers, gerade aus Pannonien angekommen, zum Dienst meldete, schien alles noch besser zu laufen denn je. Inzwischen schrieb man schon das Jahr 8 n. Chr. Während dieser kurzen Periode arbeitete sich Arminius mit den „Armenium-blauen Augen“ bis zum höchstmöglichen Grade, dem Befehlshaber der Auxiliatruppen, hoch und erwies sich als besonders tüchtig und loyal gegenüber seinem Mentor und Vorgesetzten Tiberius. Zu Hause angekommen musste er als Varus rechte Hand den Frieden mit den Germanen erfolgreich bewahren und vertiefen.

Und hier kommt die Stelle in der Quelle, wo es kurz dunkel wird und wir ertappen Varus zusammen mit drei Legionen dabei, wie sie mitten im Teutoburger Wald von Arminius und seinen Leuten niedergemetzelt werden.

Wie konnte es dazu kommen?!? Mitten in der Herrschaft von Augustus, als das Römische Reich vielleicht seine glorreichste Epoche erlebte, passierte so was Peinliches. Und noch dazu kam der Verräter aus den eigenen Reihen! Unerhört! Angeblich soll der gute princeps imperii aus Schock wochenlang auf das Rasieren verzichtet und regelmäßig mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen und gerufen haben: “Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder.” Es war nämlich nicht nur die beschämende Niederlage ein Problem, sondern auch der Verlust von drei vollständigen Legionen, den Legionen XVII, XVIII und XIX, dem Volk zu erklären. Letztere Legion soll sogar von Augustus selbst während seiner Machtkämpfe aufgestellt worden sein.

varusschlacht 1

Also noch einmal: Wie ist es dazu gekommen? Varus war doch ein erfahrener Politiker! Wie konnte er diese Katastrophe denn nicht vorhersehen? Überhaupt, wie und warum kam er mit seinen Legionen von der Lippe-Rhein-Mündung zum Berg Kalkriese, weit nordwestlich entfernt?

2010 erschien die überarbeitete Taschenbuchausgabe Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. von Ralf-Peter Märtin.

märtin_varusschlacht_coverDarin versucht der Historiker eine Antwort in Form einer Reihe von logisch aufgebauten und akzeptablen Spekulationen darzubieten. Märtin geht davon aus, dass Arminius, zu Hause angekommen, erkennt, wie begrenzt seine Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der römischen Heereshierarchie überhaupt sind. Das heißt, seine Karriere soll mit der Position des Befehlshabers der germanischen Auxiliatruppen enden. Diese sind einheimische Hilfstruppen, mit ähnlichem Training wie die regulären Legionäre, nur dass sie auch ihre eigene Kampftaktik und Technik kennen und anwenden. Es ist schon recht mutig von den großen Herren der Welt gewesen, solche Kampfmaschinen zu trainieren, nicht wahr? Auf jeden Fall imponierte diese Erkenntnis Arminius nicht. Er wurde doch als Fürstensohn geboren, soll er denn etwa als Befehlsbefolger sterben?!

Also soll er laut Märtin eine Verschwörung gegen die rheinischen Kampftruppen ausgearbeitet haben. Der Historiker weist darauf hin, dass diese Verschwörung alles andere als ein Aufstand der Stämme sein konnte. Denn Arminius war eben doch nicht so frei, sich zu jeder Zeit regelmäßig mit den Barbaren zu treffen und Pläne zu schmieden. Es wäre aufgefallen. Hätte verdächtig ausgesehen. Und außerdem, da kommt ein junger Krieger, der alles, was er kann, von den Römern erlernt hat, und die Stammesoberhäupter sollen ihm von einem Tag auf den anderen blind vertrauen und zu seinen Anhängern werden? Keine Chance! Ihre Souveränität wurde von der römischen Justiz und durch die Religionseinschränkungen zur Genüge verletzt, jetzt sollen sie auch noch ihren Stolz verlieren?

Also glaubt Märtin nicht an eine verschwörerische Zusammenarbeit zwischen Verwandten. Eher orientiert er seine Hypothesen an den Auxiliatruppen. Diese waren ihrem Herrn treu, Arminius konnte mit ihnen so oft in Kontakt treten wie er wollte. Darüber hinaus hatte er sogar das Recht, sie dort zu stationieren, wo es ihm lieb war. Also sprechen wir hier statt eines Aufstands über eine Meuterei?

Sowohl Laien als auch Eingeweihte können ihren Spaß beim Lesen dieses Buches finden. Besonders interessant finde ich das letzte Kapitel, in dem der Autor auf die Interpretationsversuche der Nachzeit hinweist, angefangen mit dem Arminius-Dialog von Ulrich von Hutten, über die Verklärung der Vergangenheit, ausgedrückt durch das Hermannsdenkmal, im romantisch-völkischen 19.Jahrhundert, bis hin zu den rassenorientierten Theorien der Nationalsozialisten. Besonders überraschend finde ich den Hinweis darauf, in welcher Beziehung Hitler mit seinem “ideologischen” Vorbild steht.

Schließlich möchte ich auf die Kritik der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft hinweisen, die über Märtins Werk sagt: “Seine  […] Ausführungen gehören zum Besten, was über die faszinierende Rezeptionsgeschichte der Schlacht geschrieben worden ist.”

 

/Christiana Gules/

 

* Völkisch nennt man in der Geschichtswissenschaft deutsch-nationale sowie rassistische Gruppierungen und Personen im ausgehenden 19. Jahrhundert im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn.

 

 

Bilderquellen:

http://varusschlacht2009.de

http://die-auswaertige-presse.de

http://www.jpc.de

http://www.kinderzeitmaschine.de

http://www.wz-newsline.de

http://www.axisoflogic.com