Ein Buch, in dem Finnland und Ostwestfalen aufeinandertreffen
„Rentier, Elche, Sauna, See
Dunkle Winter voller Schnee
Wenig Menschen und kein Wein
Da wirst du wohl in Finnland sein.“
Vor einiger Zeit bekam ich von meiner Brieffreundin ein Buch zugeschickt. Auf dem blauen Cover prangten drei wollene Pudelmützen, die von elchförmigen Aufhängehaken an einer blauen Holzwand herunterbaumelten. FINNE DICH SELBST, so las sich der Titel des Werkes von Bernd Gieseking.
„Mit den Eltern auf dem Rücksitz“ und zwei Kisten Weizenbier als Mitbringsel macht sich der deutsche Kabarettist und Autor von Kinderhörspielen eines Sommers von Minden aus auf den Weg „ins Land der Rentiere“, um seinen Bruder Axel im südfinnischen Lahti zu besuchen. „Akseli“, wie er auf gut Finnisch im weiteren Verlauf genannt wird, hatte Deutschland zwei Jahre zuvor Hals über Kopf verlassen, nachdem er sein Herz an die Finnin Viivi verloren hatte.
Von der oft abenteuerlichen Reise des ostwestfälischen Trios zwecks temporärer Familienzusammenführung berichtet Gieseking in humorvoller Weise und mit solch einer Intimität, dass man glaubt, selbst dabei gewesen zu sein. Wenn Mutter Ilse den „Korff“ mit allerlei Leckerbissen packt und Vater Hermann sich wiederholt kauzig gibt, entsteht eine Vertrautheit, bei der man sich fast zur Familie gehörig fühlt. Im fremden Land dann geht der Autor auf Entdeckungsreise, zeigt sich als Ethnologe, der durch beobachtende Teilnahme ein Volk unter die Lupe nimmt – ganz wie ein Kind im Krabbelalter, das eine ihm neue Welt neugierig erkundet und sich gerne darauf einlässt, so seltsam sie ihm auch erscheinen mag. Dabei werden Wissensbrocken zu bestimmten Themen wie zur finnischen Sprache oder dem Baustil in Lahti in die Geschichte eingebettet. In „Finne Dich Selbst“ verarbeitet Gieseking allerdings nicht nur seine Eindrücke von Finnland, von sommerlichen Tanzveranstaltungen mitten im Wald, von Besuchen im Akkordeonmuseum und Rockabilly-Festivals, sondern er gibt letztendlich auch großzügige Einblicke in die ostwestfälische Mentalität. Da kann beispielsweise ein nüchtern erscheinendes „Und?“ emotionalste Informationen enthalten, mehr noch als manch herzliche Umarmung anderer.
Das lang erwartete Aufeinandertreffen beider Familien im Sommerhäuschen von Akselis Schwiegereltern schließlich ist einer der Höhepunkte des Buches: Einerseits sind Ilse und Hermann einige Dinge der finnischen Kultur nicht geheuer, und so wehren sie sich vehement, auch nur einen Zeh in die Sauna zu setzen. Andererseits verstehen sich Finnen und Ostwestfalen auch ohne gemeinsame Sprache überraschend gut. Da verbringen Viivis Mutter Kati und Ilse lange Zeit zusammen im Wald beim Blaubeerenpflücken und kommen schließlich fröhlich miteinander plaudernd wieder zum Sommerhaus zurück. Auf die Frage, worüber sie sich denn unterhalten hätten, antwortet Ilse „Och, über dies und das.“ Am Ende steht eines fest: Ostwestfalen und Finnland sind gar nicht so weit voneinander entfernt wie es auf der Landkarte aussieht.
/Jasmina Schreck/