Ein Haus, wo sich die Minderheiten in Szeged treffen – nicht nur die deutsche, sondern auch die griechische, die kroatische, die polnische, die armenische, die slowakische, die ukrainische und die bulgarische Minderheit.
Osztróvszky Straße sagt vielen fast nichts, ebenso wenig wie Szent István Platz, aber ich bin ganz sicher, wenn ich den Weg dahin beschreibe, erlebt jeder (und jede!) einen Aha-Effekt. Die O-Buslinie 8 kennt in Szeged jeder. In der Nähe des Anna Bades ist ein schöner Platz mit einem Turm in der Mitte, das ist der Szent István Platz, an dem die 8 auch eine Haltestelle hat. Von diesem Platz spazieren wir durch zwei enge Straßen, bis wir das Haus der Minderheiten erreichen. Wo die Straßen Teleki und Osztróvszky ineinandermünden, steht ein gelbes Haus. Eine kleine Tafel zeigt an, dass wir richtig sind. Einmal klingeln, das schwere Metalltor öffnen, über den Hof, die Treppen rauf und wir sind da.
Die Zahl der Minderheiten in Szeged ist nicht zu groß, aber sie haben hier doch ein buntes kulturelles Leben geschaffen. Das Minderheitenhaus erfüllt zwei Funktionen: Einerseits bietet es den Ämtern der Minderheiten Platz, andererseits ist es ein Kulturzentrum, wo man an verschiedenen kulturellen Programmen teilnehmen kann. Es gibt feste Programmpunkte wie zum Beispiel die Tanzschule (griechisch, bulgarisch, serbisch), und natürlich kann man hier auch etwas finden, das mit der Kultur der deutschsprachigen
Länder zu verbinden ist. Dabei geht es um die Vortragsreihe von Gábor Váradi. Die Vorträge fanden bisher an jedem ersten Freitag des Monats um 18 Uhr statt. Da das Themenangebot sehr wohl auch für Studierende von Interesse ist, will man in Zukunft den Termin möglichst auf einen anderen, studierendenfreundlicheren Zeitpunkt verlegen. Gábor Váradi, ein ehemaliger Germanistikstudent, spricht über Themen, über die man an der Uni fast gar nichts hört, so zum Beispiel über die Monster in der deutschen Literatur und Filmgeschichte. Man hört in einundderselben Univeranstaltung kaum über den Erlkönig, den Schimmelreiter und Nosferatu. Seine Vorträge sind locker, voll mit neuen Informationen und witzig. Musik für die Stimmung, witziger Vortragender, gute Themen. Welche Studierenden würden sich nicht so einen Vortrag wünschen? Vor dem Vortrag von Gábor Váradi begrüßt Alexandra Korom die Anwesenden im Namen der Selbstverwaltung der deutschen Minderheiten und präsentiert das Programm des Abends.
Frau Korom ist seit 2010 die Präsidentin der Selbstverwaltung
der deutschen Minderheiten in Szeged. Wir befragten Sie.
Frau Korom, Sie als Germanistikstudentin haben2002 inGeMa selber über das Minderheitenhaus geschrieben. Wie gefällt es Ihnen, dass nun nicht Sie die Fragestellerin des Interviews sind, sondern die Befragte?
Ja, es ist sehr interessant, dass ich sozusagen auf der anderen Seite sitze. Ich freue mich sehr, dass Sie sich für mich und meine Arbeit bei der Selbstverwaltung interessieren.
Sie sind sehr jung und doch bekleiden Sie schon dieses Amt. Was führte Sie vom Germanistikstudium zur Präsidentschaft? Haben Sie bereits während Ihres Studiums solche Ziele gehabt?
Als ich Germanistik studierte (2000), habe ich mich dem ungarndeutschen Verein und Vereinschor angeschlossen. Ich wollte auch außer-halb der Uni Deutsch sprechen und ich mochte singen. 2002 war die nächste Wahl der Minderheitenselbstverwaltungen. In der Zwischenzeit war ich im Verein tätig und interessierte mich auch für die Minderheiten. Rotraut Madari, die ehemalige Vereinsvorsitzende, empfahl mich als Vertreterin. Sie wollte in die Selbstverwaltung jüngere, ambitionierte Leute delegieren, die auch Deutsch konnten. So wurde ich 2002 zum ersten Mal Vertreterin. 2006 wurde ich wieder Mitglied der Selbstverwaltung und 2010 wurde ich nicht nur Vertreterin, sondern auch zur Vorsitzenden gewählt.
Als ich dem Verein beitrat, dachte ich nicht, dass ich einmal Vorsitzende der ungarndeutschen Selbstverwaltung hier in Szeged sein würde.
Pflegen Sie Kontakt zu den deutschsprachigen Studierenden in Szeged?
Nein, wir haben leider gar keinen Kontakt. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt von uns wissen oder wissen wollen. Soweit ich weiß, sind sie eine geschlossene Gruppe. Ich glaube, wenn sie mit uns Kontakt pflegen möchten, können sie uns leicht finden.
Hat die Selbstverwaltung der deutschen Minderheiten Schwierigkeiten in Szeged, wo eigentlich keine deutsche Minderheit lebt? Wenn ja, welche?
Insgesamt haben wir keine Schwierigkeiten. Ich finde, unsere Situation ist eher speziell, dass hier ursprünglich keine Donauschwaben leben wie z.B. in der Schwäbischen Türkei. Soweit ich es einschätzen kann, sprechen die Ungarndeutschen kein Deutsch oder nur kaum. Schwäbisch kennen sie auch nur aus den Volksliedern.
Würden Sie ein bisschen über das Minderheitenhaus sprechen? Gibt es regelmäßige Vorträge? Wem können Sie empfehlen, das Minderheitenhaus zu besuchen?
Es ist ein kleines Haus mit vielen interessanten Veranstaltungen, Vorträgen, Tanzabenden, internationalen und multikulturellen Programmen. Wir leben in Ungarn und hier in Szeged mit den Minderheiten zusammen, also ist es wichtig, sie kennen zu lernen.
Das Nationalitätenhaus wurde 1998 gegründet. Die Gründer waren die slowakischen, deutschen, griechischen und rumänischen Minderheitenselbstverwaltungen. Das Ziel des Hauses ist die Kultur der Nationalitäten zu zeigen. Es gibt im Haus ein harmonisches Miteinander der Nationalitäten. Wir besuchen gegenseitig unsere Veranstaltungen, wir helfen einander, wenn es nötig ist. Zum Beispiel beim Übersetzen, bei einem Stipendium oder einer Bewerbung, usw. Es gibt natürlich regelmäßige Veranstaltungen wie z.B. griechische, bulgarische, serbische Tanzkurse, die Sprachschule, ein Kinderprogramm. Wir – die Ungarndeutschen – organisieren Kulturabende, Bastelabende, Klubabende. Wir haben einen Chor, er probt jeden Montag. Einmal pro Jahr organisieren wir eine Kulturwoche. Während dieser Woche wollen wir unsere Besucherinnen und Besucher durch die deutsche Kultur führen, zusammen mit ihnen in Form von Ausstellungen, Literaturabenden, Kinderprogrammen und verschiedenen Gesellschaftsveranstaltungen eine virtuelle Reise machen.
Diejenigen, die Interesse haben die deutsche Kultur außerhalb der Uni zu erfahren, sollten die Vorträge von Gábor Váradi nicht vergessen. Auf der Webseite kann man das aktuelle Programm finden. Keine Angst, die Vorträge sind auf Ungarisch. Deutschkenntnise sind nicht wichtig, man braucht nur Interesse.
6721 Szeged, Osztróvszky Str. 6
Geöffnet: Montag- Freitag 9:00- 17:00
Homepage: www.minority-szeged.hu
Gemeinsame Homepage des Vereins der Ungarndeutschen im Bezirk Csongrád und der Selbstverwaltung der deutschen Minderheiten: www.szegedinemetek.hu