Zu Gast an der Universität Szeged im Erasmus- und im Doppeldiplomstudium

Autor: Adrienn Kohári

Zeitung: 2015/2

Rubriken: Interviews, Studiosi

Alle Wege führen nach Rom, heißt es sprichwörtlich. Und viele, wenn auch nicht alle, Wege führen auch nach Szeged. In einem Interview erfahren wir, auf welchen Wegen drei ausländische Studierende im Wintersemester 2015/2016 ihren Weg zu uns fanden.

GeMa sprach mit:

Anna-Christina Madaras, Studentin der Deutschen Philologie und Politikwissenschaften im Zwei-Fächer-Bachelor an der Universität Göttingen.

Jenny Kunke und Jonas Sowa, Studierende des sogenannten „Master Germanistik mit binationaler Option” von der Universität Kassel. Es besteht eine Kooperation zwischen Szeged und Kassel für MA-Studierende: sie verbringen ein Semester jeweils an der anderen Universität. Am Ende des Studiums bekommen die Studierenden ein Doppeldiplom.

GeMa: Wie gefällt euch Ungarn? Welche Sehenswürdigkeiten mögt ihr am liebsten in Szeged?

Anna-Christina: Mir gefällt Ungarn sehr gut. Die Menschen, denen ich in Szeged begegnet bin, sind alle sehr nett und hilfsbereit. Ich bin sehr vom Baustil der Stadt begeistert. Ich persönlich mag Art Nouveau sehr und viele Häuser hier sind ja nach der großen Flut von diesem Stil inspiriert, neu aufgebaut worden.

Jenny: Mein erster Stopp in Ungarn waren ein paar Tage Budapest und ich war begeistert von der Stadt, auch wenn ich mir alles größer vorgestellt habe. Die Architektur ist wirklich sehenswert. Ein Ort mit Geschichte, genauso wie Szeged. In Szeged mag ich den großen Park am liebsten, da er ein Teil meiner Joggingstrecke geworden ist. Ein Stück grüne Heimat im Ausland.

Jonas: Außer Szeged habe ich eigentlich nur Budapest gesehen, wo es mir aber sehr gefallen hat. In Szeged habe ich keinen Ort, den ich gesondert hervorheben möchte; ich mag es einfach, durch die Stadt zu laufen und das Stadtbild, die Architektur wahrzunehmen.

GeMa: Warum habt ihr gerade Ungarn gewählt?

Anna-Christina: Ein Teil meiner Familie wohnt in Ungarn und da ich nie richtig Ungarisch gelernt habe, war dies einer der Hauptgründe für mich, mein Erasmussemester in Ungarn zu verbringen. Außerdem steht das Germanistische Institut in Szeged in sehr engem Kontakt mit dem in Göttingen und von Göttinger Seite habe ich nur Bestes über die Stadt Szeged und die Universität gehört.

Jenny und Jonas: Die Kooperation der Universitäten Kassel und Szeged bieten diese Kombination an, von daher war es weniger eine Auswahl, als die Nutzung des vorhandenen Angebots. Durch unseren Studiengang, den Master Germanistik mit binationalem Schwerpunkt, ist die Universität Szeged die Partnerhochschule der Universität Kassel. Wir finden es aber interessant, ein Land kennenzulernen, welches nicht zu den gängigen Reisezielen von Schülern und Studenten gehört, wie zum Beispiel die USA.

GeMa: Lernt ihr auch Ungarisch? Wenn ja, wie schwierig ist es für euch?

Anna-Christina: Ja, ich lerne auch Ungarisch. Da ich schon innerhalb meiner Familie mehr oder weniger Kontakt mit der Sprache hatte, ist es nicht ganz so schwer. Dennoch habe ich auch meine Probleme. Die Sprache lässt sich dann doch nicht so leicht und so schnell lernen wie das Englische. Man muss lange dran bleiben und viel lernen, bis man erste Erfolge erzielt.

Jenny und Jonas: Igen. Wir haben im Zuge unseres Studiums im ersten Semester einen Sprachkurs Ungarisch und einen Landeskundekurs besucht. Es war eine gute Vorbereitung, auch wenn man nur die Grundlagen der Sprache vermittelt bekommen hat. Wir waren eine tolle Gruppe und deshalb hat mir das Lernen Spaß gemacht, auch wenn die Sprache „ausgefallener” ist, als zum Beispiel das gängige Französisch oder Spanisch.

GeMa: Was denkt ihr darüber, in drei Monaten das ganze Semester zu absolvieren?

Anna-Christina: Ich bleibe nur noch bis Mitte Dezember hier in Ungarn, da ich bereits Anfang Dezember mit all meinen Klausuren fertig sein werde und Weihnachten bei meiner Familie in Deutschland verbringen möchte.

Jenny: Einerseits hat man es dann auch schnell hinter sich gebracht. Man hat das Gefühl, dass das Semester hier, durch die integrierten Aufgaben, sehr schnell rumgeht. Andererseits sollte man, so wie in Kassel, in den Semesterferien Zeit für Seminararbeiten, etc. haben. Da kann man sich dann wirklich Gedanken dazu machen und hat nicht das Gefühl, man ist total überarbeitet.

Jonas: Die Dauer des Semesters ist ja nur unwesentlich größer als in Deutschland. Der größte Unterschied ist, dass alle Prüfungen und Arbeiten noch während des Semesters absolviert werden, was schon eine Umstellung ist. Aktuell ziehe ich das System in Deutschland vor, da es während des Semesters mehr Freiheiten erlaubt, aber ich werde es sicher genießen, wenn in der vorlesungsfreien Zeit tatsächlich nichts ansteht. Und grundsätzlich glaube ich, dass es für die Qualität der Hausarbeiten von Vorteil ist, wenn man sich mehr Zeit dafür nehmen kann.

GeMa: An welchen Veranstaltungen nehmt ihr am liebsten teil?

Anna-Christina: Mir hat das Seminar von Herrn Dr. habil Géza Horváth sehr gut gefallen (besagtes Seminar mit der vielen Lektüre). Wir haben eine gute Einsicht von den Autoren um die Jahrhundertwende bekommen und u.a. auch zwei meiner Lieblingsautoren (Thomas Mann und Hermann Hesse) sehr intensiv behandelt.

Jenny und Jonas: Unser Favorit ist der Unterricht bei Herrn Dr. habil. Attila Bombitz, da man kontroverse Debatten führen kann. Durch diese Interaktionen kann man mehr für sich aus dem Seminar mitnehmen.

GeMa: Könnt ihr auch Themen benennen, die für euch völlig neu sind und wenn ja, möchtet ihr euch mit diesen Themen mehr beschäftigen?

Anna-Christina: In Frau Dr. Erzsébet Szabós Seminar habe ich einiges über kognitive Prozesse beim Lesen gelernt bzw. wie wir lesen und wie man den Leser als Autor lenken und beeinflussen kann. Diese kognitive bzw. psychoanalytische Seite der Literaturwissenschaft habe ich vorher noch nicht gekannt, fande es aber sehr interessant und spannend.

Jenny: Die sehr vielen und tiefgründigen Seminare in der Linguistik waren für mich völlig neu. Auch aus der österreichischen Literatur waren mir nur vereinzelte Autoren bekannt.

Jonas: Die österreichische Literatur. Natürlich hat man einzelne Autoren auch in Kassel gelesen, aber da wurde nicht weiter auf Österreich eingegangen, sondern Texte sind halt alle gleichermaßen deutschsprachige Literatur. Sowohl die Einblicke in die Korpuslinguistik bei Herrn Péter Kappel, als auch der grundsätzlich kontrastive Ansatz von Herrn Dr. habil. Attila Péteri und Frau Dr. habil. Ewa Drewnowska-Vargáné waren neu.

GeMa: Was werdet ihr euren deutschen Kommilitonen über das ungarische Studium erzählen? Gab es Probleme, die unerwartet auftauchten?

Anna-Christina: Dass es mir hier sehr gut gefallen hat. Dass es eine große Auswahl an unterschiedlichen Kursen gab und die Seminare zwar klein, aber nicht so überfüllt wie in Deutschland sind und dadurch auch nicht so unpersönlich.

Jenny: Du musst lernen, dich noch selbstständiger zu organisieren und natürlich aktiver in den Seminaren dabei zu sein. Auch die hohe Anzahl an benoteten Leistungen muss man im Gedächtnis haben, wenn man nach Szeged kommen will. Hätten wir am Anfang keine Hilfe von einer sehr netten Studentin, bei universitären und wohnungstechnischen Problemen gehabt, dann wäre ich bestimmt verzweifelt.

Jonas: Eigentlich das bisher Gesagte. Es gibt neue Themen, über die man etwas lernen kann und dass es zumindest unterschiedliche Tendenzen gibt. Und dass man in Szeged mehr benotete Leistungen absolvieren muss. Probleme gab es nicht, außer dass es in Ungarn scheinbar kein Bananeneis gibt. Das war verstörend. J

GeMa: Vielen Dank für das Gespräch!

 

/Adrienn Kohári/