Vorträge von Prof. Dr. Lesław Cirko

Autor: Dóra Kata Takács

Zeitung: 2014/1

Rubrik: Germanistik

Kein einfacher Mittwoch. Keine alltäglichen Vorträge. Ein Gastprofessor aus Polen. Er wartete am 07. Mai mit zwei spannenden Themen auf interessierte Studierende. Herr Lesław Cirko, Professor für Sprachwissenschaft am Institut für Germanistik der Universität Wrocław, hat zunächst die Probleme der Dependenzgrammatik thematisiert. Im Rahmen der linguistischen Werkstatt der Ungarischen Akademie der Wissenschaften kam es am Abend zur Erläuterung der Schwierigkeiten des Verfassens der Magisterarbeiten durch den anerkannten Professor, der 2011 mit dem Jakob und Wilhelm Grimm-Preis des DAAD ausgezeichnet wurde.

 Zum ersten Vortrag:

Instrument-Ergänzung im Deutschen? Überlegungen darüber, wie sich die Dependenzverbgrammatik selbst Probleme schafft

Im gemütlichen Kreis an der Universität grüßte der Vortragende die Grammatikfreunde, die sich zu dem spannenden Vortrag versammelt haben. Unter anderen auch Herrn Prof. Dr. Péter Bassola, einen guten Freund und Kollegen von Prof. Cirko, der mit dem gewählten Thema in der Hochburg der Dependenzgrammatik an der Frechheitsgrenze zu spielen glaubte.

Vortrag valenzgrammatik

Nach der ausführlichen Darstellung des Forschungsstandes kam der Professor zu der Betrachtung der Engelschen Auffassung über die Ergänzungen im Deutschen. Sie sind verbsubklassenspezifische Satzglieder, die im Gegensatz zu den Angaben, die immer fakultativ sind, entweder als obligatorisch oder eben als fakultativ erscheinen. Die von Engel erstellte geschlossene Liste mit 9 Satzbauelementen könnte nach Professor Cirko noch mit einer weiteren Kategorie, nämlich mit der der Instrumental-Ergänzung erweitert werden. Um dem am Anfang des Vortrags zitierten Engel entgegenzukommen, begründete Herr Cirko seine Hypothese.

Im Interesse der Untermauerung seiner These betrachtete der Professor nicht nur die semantische Valenz im Sinne von Apresjan, sondern auch die Subklassenspezifik. In diesem Sinne sind diejenigen Elemente Ergänzungen, die nur mit Teilmengen von Verben kompatibel sind, während Angaben von jedem Verb dependent sein können. Mit Beispielen wie Janusz schreibt seinen Roman nur mit dem Laptop hat Professor Cirko nachgewiesen, dass die Subklassenspezifik allein über die Obligatorik nicht entscheidet, da der Satz auch ohne das Instrument sinnvoll wäre. Die Verabsolutierung der Obligatorik ist keine ausreichende Bedingung, um über Ergänzung zu entscheiden, da sie eben auch fakultativ sein kann. Was die Kombinatorik des Satzgliedes mit dem Messer anbelangt, muss die Teilmenge der Verben beachtet werden, mit der die Ergänzung kompatibel erscheint.

Bei der Zusammenfassung der Betrachtung der Instrument-Ergänzungen wurden nicht nur die Handlungsverben, sondern auch die Tätigkeitsverben, die eine Fortbewegung mittels eines Fahrzeugs ausdrücken, unter Beachtung der Instrument-Ergänzung berücksichtigt. Auf die Frage, wieso diese fakultativen Ergänzungen bis jetzt missachtet wurden, antwortete der Gast, dass sie als Präpositivergänzungen betrachtet wurden. Darüber hinaus, lenkte der Professor die Aufmerksamkeit der Interessenten auch auf die Unterscheidung zwischen Instrumentalsatz und Instrumental-Ergänzung, wobei die letztere nie als ausbaufähig erscheint.

Die gestellten Fragen zeugten ebenso von dem Publikumsinteresse an dem spannenden Thema, wobei Herr Dr. Andreas Nolda nach den verschiedenen syntaktischen und semantischen Betrachtungsmöglichkeiten der Subklassenspezifik fragte. Professor Bassola betrachtete das Thema aus kontrastiver Sicht und erkundigte sich nach dem Instrumental als Kasus im Polnischen, der nicht unbedingt als Instrument fungiert. Darüber hinaus wurde noch die Rolle der Semantik betont, die aber ebenso nicht verabsolutiert werden darf.

Zum zweiten Vortrag:

Glanz und Elend von Magisterarbeiten. Ein Essay über diverse (Un-)Sitten des studentischen Schaffens

Die Schwierigkeiten einer Diplomarbeit aus studentischer Sicht kennen wir wohl alle bzw. werden wir früher oder später kennen lernen. Wie sieht aber die Situation von der anderen Seite aus? Wie sind die Studierenden bzw. ihre Magisterarbeiten in Polen? Gibt es viele Ähnlichkeiten oder eben fast keine? Solche Fragen können sich die Interessenten vor dem zweiten Vortrag von Professor Cirko gestellt haben.

vortrag_magisterarbeit

Als Lehrender, der bereits über 300 Arbeiten betreut hat, verfügt der Professor über genügend persönliche Erfahrungen, um die Veränderung der Qualität der Magisterarbeiten beurteilen zu können. Darüber hinaus ermöglichte ein Projekt, bei dem es um die Entwicklungsetappen der rhetorischen Fähigkeiten bei deutschen bzw. polnischen Studierenden ging, ihm einen Einblick in dieses spannende Gebiet.

Die Veränderungen traten mit dem 1999 eingeführten Bologna-Prozess ein, der trotz der anfänglichen Faszination die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Das alte polnische System, das unter anderem wegen der feudalen bürokratischen Struktur des Studiums kritisiert wurde, scheint ein heute unerreichbares Niveau geboten zu haben.

Wo sind aber die Spuren dieser Veränderungen sichtbar? Beispielsweise bei der mangelnden Vorbereitung. Die Mehrheit der polnischen Germanistikstudierenden im Magisterstudium an der Universität Wrocław weiß sehr wenig oder eben gar nichts vom wissenschaftlichen Schreiben, was immerhin kein Wunder ist, da sie herzlich wenig Gelegenheit haben, das zu erlernen. Auf die Referate wird in der Wrocławer Germanistik wegen ihrer zu erwartenden Qualität meistens verzichtet, und dazu gibt es kaum noch Seminararbeiten. Als ein weiteres Problemfeld erscheinen die ausgeklügelten Tests, die über die Qualifikation der zukünftigen Studierenden entscheiden sollen. Die Textproduktion wird dementsprechend schon vor dem Studium in den Hintergrund gedrängt.

Darüber hinaus betrifft noch eine riesige demographische Krise Polen, aus dem zwei Millionen in den letzten Jahren ausgewandert sind, vor allem natürlich junge Erwachsene in ihren besten Jahren. Das Resultat: Entvölkerung und dementsprechend weniger Studienkandidaten, von denen man gute Leistungen erwarten kann. Aus diesem Grund müssen auch untalentierte Studierende gefördert werden. Die ökonomischen Zwänge triumphieren über die Vernunft.

Die Probleme bei den Magisterarbeiten sind schon von Anfang an präsent, bei der Sammlung der Materialien, bei der Gliederung der Daten usw., obwohl die Studierenden vier Semester lang die Möglichkeit für Konsultationen haben. Dabei werden die Themen und die Vorgehensweise in den ersten zwei Semestern in kleinen Seminargruppen (ca. 8 Personen) besprochen, darauf aufbauend kommt es dann in den letzten zwei Semestern zu konkreteren formalen und inhaltlichen Fragen. Die Probleme sowohl bei der Forschungstechnik, als auch bei der wissenschaftlichen Formulierung werden direkt sichtbar. Dazu kommen noch mangelnde Motivation und die unterschiedlichen Erwartungen von beiden Seiten, die die Situation ebenso erschweren. Während die BetreuerInnen die ganze Arbeit als intellektuelles Abenteuer bzw. positive Herausforderung betrachten, erscheint sie für die Studierenden oft nur als ein Passierschein zum Leben. Auch deswegen kann allein die Themenwahl schon als schwierig bezeichnet werden, da viele sich eher mit praxisorientierten Themen beschäftigen würden, die von den traditionellen philologischen Gebieten im großen Maße abweichen.

Ausnahmen gibt es aber immer. In diesem Fall gibt es auch ausgezeichnete Studierende, die schwierigere Themen bearbeiten wollen und können. Leider bilden sie aber nicht die Mehrheit aller Studierenden.

Der anregende Vortrag hat das Publikum sicherlich zum Nachdenken gebracht, wie die Situation an der Universität Szeged aussieht.

Zwei Vorträge, zwei spannende Themen am Ende des Semesters. Die Reihe solch interessanter Vorträge, die einen Ausblick über unser Studium hinaus ermöglichen, wird im nächsten Semester hoffentlich fortgesetzt.

 

/Dóra Takács/