Das Erlebnis mit Literatur

Autor: Katharina Deppe

Zeitung: 2014/1

Rubrik: Germanistik

Anlässlich des vor kurzem stattgefundenen Symposiums mit dem Titel „Bis zum Ende der Welt“, das sich mit dem Werk Christoph Ransmayrs auseinander gesetzt hat, und des 20. Jubiläums des Lehrstuhls für österreichische Literatur und Kultur in Szeged (GeMa berichtete) hat GeMa nun die Möglichkeit ergriffen, mit dem Lehrstuhlleiter Herrn Dr. habil. Attila Bombitz ins Gespräch zu kommen. Es geht um die Vergangenheit und Zukunft des Lehrstuhls, einen Rückblick auf das Symposium und die Vernetzung zwischen Wissenschaftlern, Autoren und Übersetzern.

bombitz Dr. habil. Attila Bombitz

An welche Ereignisse aus Ihrer Zeit am Lehrstuhl erinnern Sie sich, die am meisten Eindruck bei Ihnen hinterlassen haben?

Wenn ich an die Zeit meiner Leitung denke, so muss ich einfach immer wieder daran denken, dass ich und meine Kolleginnen und Kollegen versuchen, den Studierenden irgendwie ein Erlebnis zu vermitteln. Deshalb versuchen wir immer wieder nicht nur wissenschaftliche Vorträge, wissenschaftliche Symposien, sondern auch kulturelle Programme anzubieten, weil ich meine, und diese Ansicht würde ich auch gerne im Weiteren unterstützen, dass das Erlebnis mit Literatur, das Erlebnis mit Kunst ins Zentrum gestellt werden sollte. Und deshalb steht hier auch der Lehrstuhl für, wie der Name sagt, österreichische Literatur und Kultur. Also: Wissenschaftliche Tätigkeit, Forschung, Unterricht und außerdem erlebnisnahe kulturelle Programme.

Können Sie sich noch an ein konkretes Ereignis erinnern, was diese Ziele besonders gut symbolisieren würde?

Ja. Kinoprogramme, wie die Verfilmungen von Werken Daniel Kehlmanns, Ausstellungen, theatralische Inszenierungen, Lesungen, etwa von Robert Menasse, Julya Rabinowich oder auch Peter Waterhouse und außerdem die Symposien, unter anderem zu Georg Trakl, Thomas Bernhard oder Arthur Schnitzler.

Wie hat sich denn der Lehrstuhl seit der Zeit, die Sie hier sind, verändert?

Ich folge gerne der Tradition, die uns auch schon Herr Professor Dr. Károly Csúri unter seiner Leitung richtig und wichtig gezeigt hat. Ich folge gerne diesem Anspruch des Lehrstuhls und ich hoffe darauf, dass ich seine Arbeit auch mit richtiger Konsequenz fortsetzen konnte und in der nahen Zukunft fortsetzen kann. Wir haben von Anfang an ein Team gebildet und dieses Team kann die einzelnen und die besonderen Merkmale des Lehrstuhls bestimmen und ich hoffe darauf, dass es auch weiterhin gut wird.

Nun einige Fragen zum Symposium, das vor zwei Wochen stattgefunden hat: Wie würden Sie denn das Symposium im Nachhinein bewerten? War es gelungen?

Es ist sehr gut gelungen, meine ich, weil wir erstens gleich nach diesem Symposium in Szeged auch in Wien ein Symposium organisiert hatten und die Gäste, die auch hier in Szeged vorgetragen hatten, waren ganz zufrieden. Also der Widerhall war da schon in Wien, bei diesem zweiten Symposium über den ersten Weltkrieg im literarischen Kontext, und die gute Nachricht war schneller in Wien als unsere Ankunft. Zweitens kommen schon die Briefe von den Kolleginnen und Kollegen, die entweder als Gast oder Vortragende am Symposium teilgenommen hatten und die Briefe zeigen, dass sich alle auf die mögliche Fortsetzung unserer Teamarbeit freuen.

Was war die interessanteste neue Erkenntnis, die Sie aus dem Symposium mitgenommen haben?

Ich glaube, das ganze Symposium hatte die Zielsetzung, nicht zu wiederholen, was die Literaturkritik über das Werk von Christoph Ransmayr schon erarbeitet hat. Wir alle haben versucht, das Interesse auf Raritäten zu lenken, wir haben nicht nur die großen Romane, die repräsentativen Werke von Ransmayr analysiert, wir haben uns auch mit kleineren Gattungen wie Theaterstück, Reisebericht oder autobiographischen Schriften beschäftigt. Und diese Gattungen, diese Texte sind in der Fachliteratur zum Werk von Ransmayr ziemlich in den Hintergrund gestellt worden und ich hoffe darauf, dass das Symposium mit dieser Zielsetzung neue Perspektiven für die Forschung eröffnet hat.

Gab es für Sie ganz persönlich eine neue Erkenntnis, die für Sie sehr interessant war?

Ja, zum Beispiel der Vortrag von Frau Renate Langer aus Salzburg. Sie hat uns einen sehr interessanten und wichtigen Vortrag über die religiösen Motive im Werk von Christoph Ransmayr gehalten. Das war auch eine ganz neue Richtung in der Fachliteratur über Ransmayr. Es ist bekannt, dass Ransmayr sehr interessiert ist an den verschiedenen Kulturen und Kulturräumen, aber eine systematische Annäherung hat man noch nicht zusammengestellt.

Wie ist man überhaupt auf das Thema Christoph Ransmayr gekommen? Lag das nur an seinem 60. Geburtstag oder gab es da noch andere Gründe?

Der Lehrstuhl versucht im Allgemeinen immer wieder Autoren ins Zentrum zu stellen, die entweder mit einem Jubiläum zu tun haben oder ein Werk haben, das mehrere Kolleginnen und Kollegen inspirieren kann. Ransmayr ist ein solcher Autor, an dessen Werk ungarische Germanistinnen und Germanisten, aber auch internationale Germanistinnen und Germanisten gerne experimentieren. Das Jubiläum bietet eine Gelegenheit für ein Symposium, darüber hinaus ist Ransmayr aber auch ein sehr anerkannter und lesenswerter Autor, dessen kritische Basis hier in Szeged und in Ungarn auch ganz wichtig ist.

Weshalb konnte Christoph Ransmayr nicht selbst am Symposium teilnehmen? 

Im Laufe des Symposiums haben wir nach einem Autor gesucht, der in seinen Werken über verschwindende Protagonisten erzählt. Ein verschwindender Autor, der in Szeged doch auftritt, ist also höchstwahrscheinlich eine totale Paradoxie. Er hat unsere Einladung trotzdem angenommen, aber aus Zeitmangel hat er seine Anwesenheit leider abgesagt, weil er vor dem Symposium in Italien gewesen war und direkt nach dem Symposium schon in Mexiko sein musste. Deshalb ist er nicht nach Szeged gekommen.

Wieso ist die Zusammenarbeit zwischen dem Lehrstuhl und Autoren, Übersetzern und anderen Wissenschaftlern so wichtig?

Es ist wieder die vermittelnde Funktion des Lehrstuhls. Wir betreiben nicht nur österreichische Literatur in deutscher Sprache, sondern auch österreichische Literatur in ungarischer Sprache, weil wir, Literaturwissenschaftler und Übersetzer, auch gerne Übersetzungen der österreichischen Literatur präsentieren mögen. Das heißt, wir haben schon sehr oft Sondernummern für verschiedene Kulturzeitschriften in ungarischer Sprache zum Schwerpunkt österreichische Gegenwartsliteratur zusammengestellt und wichtige Werke aus der österreichischen Literatur bei ungarischen Verlagen präsentiert, lektoriert und betreut. Deshalb ist es, meine ich, eine gute Zusammenarbeit unter Literaturwissenschaftlern, Übersetzern und Autoren. Es ist eine gemeinsame Zielsetzung in der Vermittlung oder im Kulturtransfer mit Schwerpunkt Österreich.

Was plant der österreichische Lehrstuhl in der nächsten Zeit?

Am 29. April kommt Géza Deréky, ein anerkannter Übersetzer. Er hält einen Vortrag über die Essaykunst von Rudolf Kassner. Der Anlass ist, dass er als Übersetzer und Redakteur eine neue Werkausgabe in ungarischer Sprache aus dem Œuvre von Rudolf Kassner zusammenstellt, betreut und ins Ungarische übersetzt. Der erste Band aus dieser Schriftreihe ist beim Verlag L‘Harmattan schon erschienen.

Als letzte Frage noch etwas Persönliches: Sie haben sich jetzt sehr lange und ausführlich mit dem Werk Ransmayrs beschäftigt. Welchen Autor wollen Sie sich denn als nächsten vornehmen?

Diese Frage kommt jetzt sehr spontan, man muss sich darüber erst Gedanken machen. Zuerst betreue und gebe ich den Tagungsband heraus und wer weiß, was die Zukunft noch bringt. Wenn ein neuer Autor kommt, ist er hier in Szeged sicherlich herzlich willkommen, aber Ransmayr bleibt erstmal aktuell.

Vielen Dank für das Gespräch.

/Katharina Deppe/