Wer glaubt heute noch an Wunder?

Autor: Olga Surinás

Zeitung: 2014/1

Rubrik: Rezension

Rezension zu Daniel Glattauers Komödie „Die Wunderübung”

Auf den ersten Blick nichts Besonderes: eine therapeutische Sitzung und ein verfremdetes Ehepaar, das einander nicht mehr versteht, sondern sich rächen, verletzen, beleidigen will. Die Ehepartner wollen keinen richtigen Versuch wagen, beide Seiten wollen nur ihr schlechtes Gewissen beruhigen und beim Anderen Schuldgefühle erzeugen. Dazu kommt noch ein überoptimistischer Psychotherapeut, eine bis zur Absurdität gesteigerte Kommunikationskrise und durch Rollentausch gesteuerte Wenden. Gut rühren, bitte nicht schütteln, und das bekömmliche Kammerdrama ist fertig.

Daniel Glattauer, der österreichische zeitgenössische Autor mehrerer Bestseller (Gut gegen Nordwind, Alle sieben Wellen, Ewig Dein) veröffentlicht 2014 seine brandneue Komödie „Die Wunderübung”. „Ein Theaterstück zu schreiben reizt mich sehr, dazu muss man sagen, dass ich nie ins Theater gehe. Es ist mir ein bisschen fremd, dieses Medium, aber das macht überhaupt nichts. […] Ich bin auch kein großer Leser.[1] Sowie man nicht mehr an Wunder glaubt, glaubt man den Autoren in den Zeiten der Postmoderne auch schwerlich, wenn es um die eigenen Quellen oder eben um die Quellenlosigkeit geht. Man fühlt nach den ersten Seiten, dass Daniel Glattauer dieses Medium doch nicht völlig verachtet, da er alle Schlichen der Szenenbildung kennt. Das Stück ist auch beim Lesen spannend, man sieht aber sofort die Inszenierung vor sich. Das blanke Bühnenbild gibt den jahrelang unterdrückten Gefühlen Raum, die jetzt auf einmal an die Oberfläche wollen.

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Diese Metapher ist nicht zufällig gewählt, da sich das Motiv des Tauchens auch durch die Handlung zieht: wir erfahren während der Übungen, dass Joana und Valentin, „die Patienten”, einander bei einem Tauchunterricht kennen lernten. Nach 17 Jahren Ehe streiten sie ständig, sie wollen, einander ständig unterbrechend, über ihr unerträgliches Leben meckern. Sie würden einander am besten nonverbal verstehen, durch stilles Zuhören, sie suchen die verlorene wortlose Harmonie, aber der dazu führende Weg ist hart und steinig. Ihre Probleme sind einigermaßen stereotypisch: Beide Partner sind eifersüchtig, die Frau spricht zu viel, der Mann zu wenig, wo Valentin keine Problemen bemerkt, da sieht Joana einen wahren Sog an strittigen Angelegenheiten. Solange er aus der drückenden Atmosphäre, aus dem unerträglichen Alltag Ausbruchsversuche (sprich: Seitensprünge) macht, fühlt sie sich mit der Verantwortung für die Kinder und mit ihrer Bitterkeit allein gelassen. Es scheint unmöglich, das Ehepaar aus ihren destruktiven Kreisen herauszureißen. In den Konflikt wird der Berater immer mehr mit hineingezogen, die Streitenden wollen ihm die Rolle des Richters zuordnen. Er wirkt aber auf die Beziehung anders ein: Er bittet Valentin und Joana um einen Rollentausch. Da dieser die Auseinandersetzungen nur steigert, macht der Psychologe eine Pause, in der zwar wieder ein Rollentausch vor sichgeht, diesmal aber ungeplant. Der Berater macht so viele vergebliche Versuche, dass er schon aufgeben will, da tritt er zur Abwechslung mit seinen privaten Problemen in den Vordergrund der Handlung. Er wird auf einmal selbst zum Klienten und Joana und Valentin zum Berater. Das gemeinsame und gegenseitige Bemitleiden und die Geringschätzung bringen  Frau und Ehemann auf die gleiche Seite, sie hören endlich zu, und diese Stille bringt ihnen den Erfolg in den weiteren Übungen. Das ist der schwächste und kitschigste Teil des Werkes: In der letzten Übung, als das Ehepaar zeigen will, wie harmonisch sie sich zusammen bewegen können, zeichnen sie stumm und wie ein Spiegelbild Herzchen in die Luft. Damit endet aber noch nicht die Geschichte, die Figur des Psychologen, der sich inzwischen in den Hauptprotagonisten verwandelte, birgt noch einige Überraschungen in seiner Wundertüte.

Zwar ist das Stück stellenweise zu didaktisch, dafür sind die Szenen, in denen die Rollen völlig vertauscht sind, sehr unterhaltsam. Es belastet den Magen nicht, brennt sich aber auch nicht tief ins Gedächtnis ein. Ich empfehle es den Schwärmern des klassischen Kammerstückes, die für einen Abend eine leichtere Unterhaltung suchen. Wer sich für die Darstellung interessiert, der sollte sich im Spielplan der Wiener Kammerspiele Anfang nächsten Jahres umschauen.[2]

 

Daniel Glattauer: Die Wunderübung, Deuticke Verlag, 112 Seiten, 12,90 €

 

Bilderquellen: www.illadelsllibres.comwww.vienna.at

/Olga Surinás/



[1]    http://www.dailymotion.com/video/xmzw1h_daniel-glattauer-uber-theater-drehbucher-und-lesen_fun

[2]    http://derstandard.at/1392685894568/Daniel-Glattauer-Bitte-dem-anderen-nicht-ins-Steuer-greifen