Leben als Soldat im I. Weltkrieg

Autor: Benedek Béres

Zeitung: 2014/1

Rubrik: Geschichte

Zum 100. Jahrestag des I. Weltkrieges

Als der „Große Krieg“ Ende Juli 1914 begann, wussten die meisten Menschen in der Österreich-Ungarischen Monarchie nicht, was sie erwarten wird. In diesem Artikel möchte ich einen kleinen Einblick in das Leben der Soldaten geben, die wegen des Krieges den Militärdienst antreten mussten. Über die Offiziere im I. Weltkrieg könnte man ganze Bücher schreiben, deshalb möchte ich mich jetzt vorwiegend mit der Mannschaft des Heeres  beschäftigen.

Ein normaler Bürger, der damals keinen Beruf oder keinen höheren Schulabschluss hatte, wurde zu den Mannschaftsleuten geschickt. Dies war die gefährlichste Option, weil diese Soldaten bei Angriffen immer die erste Reihe bildeten, und diese Männer waren es auch, die die schwierigsten Aufgaben erledigen mussten. Die Landstreitkräfte (Soldaten, die auf dem Land kämpften) bestanden aus der Infanterie und der Kavallerie.

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Gruppenfoto von Infanteristen in Szeged, 1915

Da die Kavallerie in der Zeit der Monarchie zu den Elite-Einheiten gehörte, konnten sich diejenigen, die zur Kavallerie zugeteilt wurden, oft glücklich schätzen. Zu den Fliegern, die in den späteren Jahrzehnten die Elitetruppe waren, konnten nur wenige gelangen, gehörten doch die Flugzeuge wegen ihrer begrenzten Zahl in dieser Zeit noch nicht zu den wichtigsten Waffen.

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Mein Ururgroßvater, István Fári im I. Weltkrieg als Soldat der Kavallerie

Für diejenigen, die zum intellektuellen Bürgertum gehörten und z. B. über einen Hochschulabschluss verfügten, gab es auch eine Möglichkeit, sich freiwillig für eine Offiziersausbildung zu melden. Diese Menschen hatten später eine viel leichtere Dienstzeit als die Mannschaftsleute.

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Mannschaftsleute im ersten Weltkrieg (Sammlung von Marcell Tóth)

 

Verpflegung und Alltagsleben an den Fronten

Jeder, der zum Dienst antrat, bekam eine (oft nur kurze) Ausbildung und wurde dann ins Kriegsgebiet transportiert. Die Mannschaftsleute wurden oft in Höhlen und in niedergebrannten Häusern, nicht selten wochenlang, untergebracht. Sie mussten auch regelmäßig viele Kilometer zu Fuß zurücklegen. Häufig war aber kein Unterschlupf zu finden. In diesen Fällen mussten die Männer diese selbst bauen. Die schlimmsten Zustände für die Monarchie herrschten an den Fronten in Tirol und Italien. Weil die Schlachten hier schnell in einen Stellungskrieg übergingen, verschlimmerte sich die Lage Tag für Tag. Lebensmittel gab es kaum, auch Wasser war spärlich oder gar nicht vorhanden und wegen der vielen Kämpfe (Bomben, Fluggranaten, Trommelfeuer, Gasangriffe) konnten die Soldaten der Monarchie den Fluss Isonzo nur schwer erreichen. Ende 1917 hatten dann selbst die bislang privilegierten Offiziere keine guten Aussichten mehr.

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Soldaten marschieren im Winter (Sammlung von Marcell Tóth)

 

Kommunikation mit der Außenwelt

In der Zeit des I. Weltkrieges waren die „Mobilkommunikationsmöglichkeiten“ begrenzt. Es gab aber schon Telegraphen und Telefonnetze, aber die wurden nur für militärische Zwecke benutzt. Die einzige Möglichkeit, die die Soldaten (auch die Offiziere) zur Kommunikation mit Verwandten, Geliebten etc. hatten, waren Postkarten. Briefe waren nicht erlaubt, weil sie schwer zu kontrollieren waren. Auch die Postkarten wurden von einem Zensuramt überprüft. Die Post konnte nur äußerst schwierig zu den Empfängern gelangen und oft vergingen Monate bis zur Übergabe der Karten.

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Feldpostkarte aus dem I. Weltkrieg

 

Wirkung des Krieges auf die Soldaten

Berufssoldaten wurden für die Situationen an den Fronten und im Krieg vorbereitet, aber die Anderen, die nur wegen des Krieges eingezogen und kurz ausgebildet wurden, konnten sich die bevorstehenden Strapazen oft nicht vorstellen. Auch über die nötige Ausrüstung verfügten viele nicht und als diese Menschen in die Kriegsgebiete geschickt wurden, sahen sie den „Großen Krieg“ von seiner schlimmsten Seite. Viele Soldaten wollten schon nach den ersten Tagen nach Hause gehen, aber dies brachte ihnen schwere Strafen vonseiten der Offiziere. Viele wurden entweder getötet oder schwer verletzt. Es gab sogar Situationen, in denen Familienväter neben ihren eigenen Söhnen kämpfen mussten. Die schweren psychischen und körperlichen Strapazen hinterließen in allen, die in der Armee dienten, ihre Spuren. Viele konnten nicht mehr ins Alltagsleben zurückkehren. Als sich die Kriegslage verschlimmerte, wurden immer mehr Soldaten demoralisiert. Zeitgenössische Quellen, wie das Tagebuch oder Memoiren, liefern der späteren Nachwelt wertvolle Einblicke in die Situation der Betroffenen. Beispielsweise soll hier der Lebenslauf von Imre Dombi-Kiss erwähnt werden, der vor dem I. Weltkrieg als einfacher Bauer arbeitete. Zum Militärdienst musste er am 29. Juli 1914 in Szeged antreten. Nach einer schnellen Ausbildung als Infanterist wurde er nach Galizien geschickt. Tapfer kämpfte er bis zum 22. März 1915 an den Fronten in Italien und in Tirol, als er bei Przemysl in russische Gefangenschaft geriet. Mit anderen Monarchie-Soldaten wurde er als Zwangsarbeiter nach Südasien verfrachtet. Nach zwei Jahren gelang es ihm, nach Persien zu flüchten, wo er die österreichisch-ungarische Botschaft aufsuchte. Monate später kam er nach Hause zu seiner Familie zurück, die schon fast die Hoffnung auf ein Wiedersehen verloren hatte. Nach seiner Heimkehr schrieb er seinen Lebenslauf, zeigte ihn aber niemandem, und schrieb danach in seinem Leben nie wieder.

 

Hebung der Moral der Soldaten

Während des Krieges versuchten die Offiziere mit verschiedenen Mitteln die Moral der Soldaten zu heben. Die größte dieser Maßnahmen war die Verleihung von Auszeichnungen, die von den Soldaten sehr geschätzt wurden, weil sie nur schwer zu bekommen waren. Die am häufigsten verliehene Auszeichnung war die Tapferkeitsmedaille der Monarchie. Diese konnte man für „inspirierend große Tapferkeit und tapferes Verhalten dem Feinde gegenüber“ erlangen.

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Silberne Tapferkeitsmedaille, I. Klasse

Diese Auszeichnung hatte 6 Stufen: die Bronzene Tapferkeitsmedaille (TM), die Silberne T.M. II. Klasse, die Silberne T.M. I. Klasse, die Goldene T. M. und die letzten beiden Stufen noch dazu speziell für die Offiziere. Nach 1916 wurden auch Medaillen gestiftet, die verschiedene Taten der am Krieg teilnehmenden Soldaten symbolisierten, wie z. B. Orden für Verletzungen. Der zweite bekannteste Orden der Monarchie war das Karl-Truppenkreuz. Dieses konnte man nach 12 Wochen Dienst auf Kriegsgebiet bekommen.

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Karl Truppenkreuz

Diese Auszeichnungen und Orden wurden von den Soldaten stolz getragen, denn sie symbolisierten ihre Tapferkeit und ihren besonderen Beitrag zum Krieg. Auch nach dem I. Weltkrieg wurden viele Gedenkorden gegründet.

Es gab aber auch andere Versuche für die Hebung der Stimmung unter den Frontsoldaten. Es gab Plakate für diesen Zweck, die Menschen wurden manchmal aber auch durch die Postkarten ermutigt. Die anfallenden Feiertage wurden zum Beispiel auch an den Fronten gefeiert und es gab manchmal endlose Kartenspiele unter den Soldaten.

Als Erinnerung an die Familie oder als Lebenszeichen der Kämpfenden dienten Fotos, die man als Postkarten verschicken konnte. Viele Gruppenfotos wurden gemacht und auch weniger düstere Momente des Krieges wurden mit der Hilfe von Fotoapparaten verewigt. Die Soldaten posierten glücklich und voller Stolz in ihren Uniformen, nicht ahnend, was sie am nächsten Tag erwartet.

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Soldaten in einem Gasthaus, 1916

Quellen:

– Stevenson, David(2010): 1914–1918. Der Erste Weltkrieg. Mannheim: Patmos Verlag.

– Keegan, John(2003): Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie. 2. Auflage, Hamburg: Reinbek bei Hamburg.

– Kiss Dombi, Imre (1983): Pokoljárásom, In: Szenti, Tibor (Hrsg.): Tények és Tanúk, Budapest: Magvető Könyvkiadó

/Benedek Béres/

Weitere Fotos:
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Mannschaftsleute im Kriegsgebiet in Italien (Sammlung von Marcell Tóth)
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Feldpostkarte aus dem I. Weltkrieg
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Silberne Tapferkeitsmedaille, II. Klasse

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Bronzene Tapferkeitsmedaille

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„Laeso Militi“ Medaille für Kriegsverletzungen

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Gruppenfoto: Soldaten mit Pflegerinnen, 1916

Anm. der Red.: Die Fotos ohne Angabe der Quelle stammen alle aus der Sammlung des Autors, Benedek Béres.