Am 29. Februar und am 01. März 2016 hat DDr. Harald Gröller an unserer Universität zwei Vorträge gehalten. Er studierte Geschichte und Deutsche Philologie an der Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich, daneben an der Universität Hannover, Deutschland. Er arbeitete als Lektor am Institut für Germanistik der Universität Debrezin (Debrecen), Ungarn. Die beiden thematisch sehr breit gefächerten Veranstaltungen sind von Dr. habil. Attila Bombitz, Leiter des Lehrstuhls für Österreichische Literatur und Kultur in Szeged, herzlich eröffnet worden und bildeten einen Bestandteil des diessemestrigen Landeskunde-Seminars.
Ein Kommunalpolitiker mit Staridentität
Am 29. Februar wurden wir um viele neue und interessante Informationen über die Persönlichkeit von Karl Lueger reicher. Der genaue Vortragstitel lautete „Facetten des Personenkults um Dr. Karl Lueger“ und bot den Anwesenden ebenso viel Stoff zur Diskussion wie er zum Nachdenken anregte.
Anfangs haben wir allgemeine Informationen über seine Person erhalten, u.a. darüber, welches Spektrum politischer Sichtweisen er kommunalpolitisch wie auch als Leiter der Christlichsozialen Partei bediente. Dazu zählen auch dezidiert antisemitisches und antimagyarisches Gedankengut. Karl Lueger, der von 1844 bis 1910 lebte, galt in den Augen mancher Menschen lange Zeit sowohl als „Vorzeige-Österreicher“als auch als „ein großer Deutscher“.
Seinerzeit stellte Lueger als Bürgermeister das Symbol der Macht seiner Stadt dar. Darauf weisen einige Werke hin, wie zum Beispiel das Bild Gustav Klimts im alten Burgtheater. Er hatte auch vielsagende Spitznamen, wie „Der Herrgott von Wien“ oder „Der Herr Bürgermeister“. Er inspirierte darüber hinaus zu verschiedenen Werken der Filmwelt, von denen viele nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch verboten wurden. Auch in der Literatur tauchte er auf, so etwa in Werken von Stephan Grossmann, Hugo Bettauer und Robert Asher.
Wie hat er überhaupt den Wahlkampf gewonnen? Darüber hat Herr Gröller besonders interessante Daten angeführt, zum Beispiel hat Karl Lueger viele ungewöhnliche Effekte eingesetzt: Er erschien immer mit einem spektakulären Auftritt. Dazu ließ er seine eigene Musik, den Lueger-Marsch einspielen, von Eduard Nerradt komponiert und auf einer so genannten Ariston-Lochplatte abgespielt, was damals höchst modern war. Er verteilte Teller mit seinem Porträt und erschien dank eines Automobils als so attraktiv, dass Frauen in regelrechte Begeisterungsstürme ausbrachen. Im Großen und Ganzen gestaltete er, so lässt sich mit heutigen Begriffen festhalten, eine Staridentität aus.
Nach den Wahlen blieb er sehr erfolgreich. Herr Gröller hat auch erläutert, warum. Lueger benutzte in seinen Ansprachen zum Beispiel die Umgangssprache, um besser zum Publikum durchzudringen. Er betrachtete Kinder als Symbol der Zukunft und instrumentalisierte sowohl gemeinschaftliche Aspekte, so den Gedanken, sich um „die kleinen Leute“ zu „kümmern“, als auch Aspekte des katholischen Wertediskurses.
Vor allem hat er die Wünsche von den Augen der Bevölkerung abgelesen, deswegen waren die Bürger mit ihm sehr zufrieden. Nach seiner Beerdigung, die auch entsprechend feierlich war, lebte der Personenkult um ihn noch lange weiter. 2012 wurde aber der Wiener Ringabschnitt, der nach ihm benannt war, nach jahrelang zunehmender Kritik – jedoch nicht ohne Streit – umbenannt. Heute heißt er Universitätsring.
Béla Bartók auf Kur
Am Folgetag hat DDr. Harald Gröller einen weiteren Vortrag gehalten. Das Thema war: „St. Radegund bei Graz – ein dislozierter ungarischer Gedächtnisort“. Diesmal konnten wir uns in ein ganz anderes Thema vertiefen, und auf diese Art und Weise sogar neue Urlaubsziele kennen lernen.
St. Radegund liegt 15 km von Graz entfernt und ist 21,6 km² groß (zum Vergleich: Graz ist mit 127,5 km² sechsmal größer, Szeged mit 280,8 km² sogar zwölfmal größer). Es befindet sich genau am Fuß des Schöckls (1445 m), in unmittelbarer Nähe zu vielen natürlichen Heilquellen. Als auffallend gelten weiterhin ein hohes Granitvorkommen, sowie, fernab all dieser topographischen Besonderheiten, die Tatsache, dass es in St. Radegund erstaunlich viele Nennungen gibt, die in Zusammenhang mit Ungarn stehen. So zum Beispiel die Ungarische Höhe, die Ungarischen Runden, die Hungaria-Quelle, das Szily-Tal (das seinen Namen von Kálmán Szily, dem ungarischen Physiker, bekam) oder die Ungarische Madonna. Aber wie kam es dazu?
St. Radegund ist ein Kaltwasser- und Luftkurort. Die ortseigene Kuranstalt existiert ungefähr seit 1841. Dass Dr. Gustav Novy aus Ungarn im Jahre 1864 nach St. Radegund kam, sollte große Auswirkungen auf dieses Institut haben. Er war sehr talentiert und seitdem kamen und kommen noch heute zahlreiche Gäste nach St. Radegund – nicht nur aus Österreich, sondern auch aus dem Ausland. Und die meisten von ihnen, wie auch die Nachfolger von Novy, die Eheleute Gustav und Irene Ruprich, kamen aus Ungarn.
St Radegund nem mulatóhely, ahova nyalka uracsok és czifra divathölgyek zarándokolnak, hogy a fövárosi élet blaszfemisztikus mámorát, minden hiusßagával pár hétre a zöldbe hurczolják. Csalódik, az ki mulatni jön Radegundba. Ez egy kellemes, európai kényelemmel s higienikus szakértelemmel berendezett gyógyintézet, hova az emberiség szenvedö része jön el gyógyulást, pihenést, üdülést keresni.
Zitat aus den Schriften von Bartóks Vater.
Beide Vorträge von Herrn Gröller waren in ihrer Bandbreite sehr informationsreich und stellten eine interessante Ergänzung zu unseren landeskundlichen Studien dar. Wir danken ihm, dass er uns besucht hat.
/Izabella Bajusz/