Es ist nie vorbei

Autor: Máté Sásdi

Zeitung: 2014/1

Rubriken: Freizeit, Geschichte, Kultur

Eindrücke eines Ausländers

Beide, TV-Zuschauer und Kinogänger, sind gewöhnt an Filme über die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Was sie nicht erwartet haben, war die deutsche Silberleinwandsensation des letzten Jahres Unsere Mütter, Unsere Väter; die auf das heutige Publikum (vor allem die jüngere Generation) einen größeren Einfluss zu haben scheint, als die gefeierten Klassiker der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, wie Schindlers Liste. Die neue ZDF-produzierte dreiteilige Serie hatte so viel emotionale Kraft, dass der dritte Teil von mehr als siebeneinhalb Millionen Deutschen geschaut wurde. In naher Zukunft wird die Serie in mehr als achtzig anderen Ländern veröffentlicht werden. Die Serie zeigt die schauspielerischen Begabungen von Volker Bruch, Tom Schilling, Katharina Schüttler, Ludwig Trepte und Miriam Stein als Hauptdarsteller.

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Die „Miniserie” lässt die Menschen wieder mal über den Krieg reden, hoffen Regisseur Philipp Kadelbach und Autor Stefan Kolditz. Sie ermutigen die deutsche Gesellschaft, die Vergangenheit vielleicht ein bisschen anders zu bewältigen und mahnten nun die Leute an, mit den Überlebenden zu sprechen, die noch unter uns leben – leider nicht für lange. Diese Menschen haben so viele authentische Erinnerungen und Geschichten aus dieser Zeit … die Jugend von heute sollte mit ihnen reden, solange ein Dialog noch möglich ist. Der Titel ist sehr selbstbewusst in dieser Hinsicht: Diese Leute sind die Mütter, Väter, Großmütter, Großväter usw. der heutigen jungen Generation. Es ist die Bürde der Deutschen, was damals passiert ist, und die Serie stellt das nicht in Frage. Aber vielleicht wird die Welt ihre Sicht auf die Deutschen langsam ändern. Wie Autor und Regie behaupten: Bald sieht die Welt Deutsche nur als Deutsche, und nicht als Nachkommen des nationalsozialistischen Regimes – so wie Wilhelm Winter, Protagonist und Erzähler im Film es sagt: „Bald wird es nur noch Deutsche geben und keinen einzigen Nazi.”

In einem Krieg von solch immensem Ausmaß konnte niemand unschuldig bleiben. Die Serie schildert das Leben von fünf jungen Berliner Freunden: Zwei Brüder, die als Soldaten an der Front kämpfen, eine Sängerin, eine Krankenschwester und der Sohn eines jüdischen Schneiders. Die Serie redet überhaupt nicht um den heißen Brei herum: Erbitterte Kämpfe an der Ostfront, Selbstaufopferung für die geliebten Menschen, Verrat, Enttäuschung, unmenschliche Behandlung der Feinde und damit einhergehend der Verlust von Unschuld und Menschlichkeit – alles in einem praktischen Paket, das Einige jedoch nicht vertragen konnten und die Miniserie stark kritisierten. Das Böse des Reichs wird kaum bestritten, aber – vielleicht zum ersten Mal – die Anderen, Polen und Russen/Sowjets, werden eben auch nicht idealisiert als „die Guten“ dargestellt. Vielmehr wurden die fünf deutschen Protagonisten und auch viele andere Kämpfer differenziert gezeigt, die dem Regime nicht unbedingt blind gefolgt sind, und dessen Weltbilder während des Krieges stark ins Wanken geraten sind. Ist es nicht unglaublich positiv zu sehen, dass es endlich eine solche Serie von Deutschen gibt? Einige denken, es war höchste Zeit. Andere denken, dass es mit der Schuld nie vorbei sein kann.

Natürlich entzündete das umstrittene Thema viel Hass und Schuldzuweisung. Obwohl Schindler Liste sieben Oscars erhielt, war die Aufnahme eher passiv (obgleich emotional). Unsere Mütter, Unsere Väter, auf der anderen Seite, führt Menschen in Aufruhr über bestimmte angebliche „Fälschungen” der Geschichte. Sind diese Anschuldigungen richtig, oder können Leute einfach nicht akzeptieren, dass die Welt selbst damals nicht nur schwarz-weiß war? Die berüchtigtste Kontroverse, die eine große Medienpräsenz hatte, war die Darstellung der polnischen Partisanen, die Armia Krajowa. Ohne zu viel von der Handlung zu verraten, gibt es eine Szene, in der die AK eher gefühllos gegenüber dem Schicksal der Juden gezeigt wird. In einer anderen Szene verstoßen sie einen ihrer Mitkämpfer, weil dieser sich als Jude offenbart. Wie erwartet, explodierten die Polen regelrecht. Mehr als zwölftausend Polen haben bis heute das ZDF wegen Verleumdung angezeigt. Im Vereinigten Königreich protestierten polnische Einwohner gegen die Ausstrahlung der Serie auf dem öffentlichen Sender BBC2. Einige Kritiker behaupten auch, dass die Wandlung fünf sympathischer junger Protagonisten in eine erschütternde Geschichte der Kriegsgeneration nur eine neue Reihe von Ausreden bietet – als ob die damalige Jugend nur von wenigen bösen Menschen hinters Licht geführt wurde.

Unsere Mütter, unsere Väter 3

Vielleicht werden auch diese Kritiker der Serie eines Tages eine weitere Chance geben. Und wer sie noch nicht gesehen hat, dem wird empfohlen, sie anzuschauen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Sucht die Serie wirklich nur nach Ausreden? Oder will sie uns zeigen, wie der Krieg das Leben aller Betroffenen ruiniert – Soldaten, Zivilisten, Krankenschwestern und eben auch Partisanen? Jedenfalls muss es immer Kritiker geben, aber ich würde jeden Zuschauer dazu ermutigen, für sich selbst zu entscheiden, ob Deutschland die Kritik wirklich verdient, die es für Unsere Mütter, Unsere Väter bekam.

Quelle des Beitragsbildes: David Slama, Kameramann der Serie

Bilderquellen: tiendas.fnac.egerman.ruvr.ru

/Máté Sásdi/