Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Szeged
Wer Herta Müller ist, ist vielen Menschen nicht bewusst. Dabei ist ihr Leben voller interessanter Wendungen. Spätestens die Tatsache, dass sie 2009 den Nobelpreis für Literatur erhielt, sollte unser Interesse wecken. Die Ausstellung mit dem Titel „Herta Müller: Der Teufelskreis der Wörter” führt uns mit anschaulichen Mitteln in Herta Müllers Leben und Schaffen ein.
Am 18. Februar wurde die multimediale Wanderausstellung vom Goethe Institut in der Klebelsberg-Bibliothek der Universität Szeged eröffnet. Die Festansprachen wurden von Frau Dr. Katalin Keveházi, der Direktorin der Klebelsberg-Bibliothek, von Herrn Dr. Endre Hárs, dem Leiter des Instituts für Germanistik und von Frau Judit Berecz vom Goethe Institut Budapest gehalten. Anschließend bot Dr. Ferenc Vincze, Mitarbeiter des Instituts für Komparatistik der Eötvös Loránd Universität, in einem Einführungsvortrag einen Überblick über wichtige Anhaltspunkte zu Herta Müllers Leben und Werk.
Dr. habil. Endre Hárs Dr. Ferenc Vincze
Die Ausstellung beschäftigt sich mit interessanten Themen, über die man eigentlich nicht oft spricht. Zum Beispiel, was es bedeutet, Mitglied einer Minderheit zu sein oder wie man in einer Diktatur leben kann oder soll. Wie kommt es, dass man sich in seinem Heimatland fremd fühlt? Was bedeutet es, ein Land als Heimat zu verlieren und ein anderes als seine neue Heimat hinzuzugewinnen? Herta Müller hat viele persönliche Erfahrungen in diesem Zusammenhang, die in der Ausstellung veranschaulicht werden. Dokumente und Fotografien aus ihrem Leben werden gezeigt, die es dem Betrachter ermöglichen, Herta Müller besser kennenzulernen.
Die Ausstellung beginnt mit der Kindheit von Herta Müller, die sie im schwäbischen Banat in Rumänien verbrachte. Der alte Ortsplan mit Standorten und Hausnummern sowie die Schwarz-Weiß-Fotos über Nitzkydorf (rum.: Nițchidorf, ung.: Niczkyfalva) zeigen ihren Geburtsort. Ihre Kindheit verbrachte sie in der Zeit des Stalinismus, der ihr Familienleben stark beeinflusste. Ihre Mutter wurde für fünf Jahre in ein Arbeitslager in der Sowjetunion verschleppt, ihr Vater floh in den Alkoholismus. Alle lebten unter ständiger Angst, was Herta Müller damals noch nicht verstand. Später erfuhr sie aber dieses Gefühl, worüber sie in einem Interview Folgendes sagte: „auf Todesangst reagierte ich mit gieriger Lebenslust”.
Die Aktionsgruppe Banat, eine in den frühen 70er-Jahren aktive studentische Gruppierung, spielte in ihrem Leben eine wichtige Rolle, da sie in diesem Kreis ihre literarischen Fähigkeiten entfalten konnte. Sie beschrieb sehr offen die Welt der Korruption, der Intoleranz und der Unterdrückung. Ihr erstes Werk trug den Titel „Niederungen”, in dem sie über freudlose Kindheit und Brutalität schrieb und so die Vorstellungen über das idyllische Landleben zerstörte. Dadurch erweckte sie die Aufmerksamkeit der Securitate, des rumänischen Geheimdienstes. Eine Akte mit der Bezeichnung CHRISTINA wurde über Herta Müller geführt. Ihre Wohnung wurde abgehorcht: Abhörwanzen wurden hinter den Schränken versteckt, Decke und Fußboden wurden durchbohrt. In der Ausstellung kann auch die von der Securitate angefertigte Skizze über ihre Wohnung besichtigt werden.
Ein buntes Bild über Herta Müllers Laufbahn entfaltet sich durch Abiturfotos, Diplomzeugnis, Entlassungsschreiben, Deckblatt der CHRISTINA-Akte, Fotos vor der Ausreise, Deckblätter der literarischen Werke und Collagen bis hin zu einem außerordentlichen Meilenstein ihres Lebens. Als Krönung ihrer Tätigkeit wurde ihr der Nobelpreis für Literatur zugesprochen, und in der Begründung hieß es: Sie hatte keine Angst, dem politischen Terror und der Unterdrückung zu widerstehen und gab diesem Widerstand auch künstlerischen Gehalt.
Mit der Verwendung moderner Technik ist es dem Besucher möglich, auch die mit der Schriftstellerin geführten Interviews anzuschauen. Die Fernsehinterviews verstärken das Gefühl der Unmittelbarkeit. In diesen Gesprächen erzählt sie über ihr Leben in Rumänien und ihre Gefühle im Zusammenhang mit der damaligen Ideologie. Zusammen mit den traditionellen Ausstellungsexponaten vermitteln die audiovisuellen Aufzeichnungen ein eindrucksvolles Bild über die Lebensumstände, sie bringen uns Zeit und Lebensform von damals näher.
Wer über Herta Müller mehr wissen möchte und erfahren will, warum sie genau diesen Namen von ihrer Mutter bekam oder wie sie an einem nicht existierenden Tag ausreisen konnte, kann die Ausstellung bis zum 26. März in der Aula der Klebelsberg-Bibliothek besichtigen.
/Orsolya Magyar/
Quelle des Portraits: www.nytimes.com
Quelle „Aktionsgruppe Banat“: www.criticatac.ro
Quelle der Fotos von der Ausstellung: SZTE Klebelsberg Könyvtár, Mészáros Zoltán