– Was hätte ein Jurist gern von einem Geisteswissenschaftler? – Einen Cheeseburger mit Cola.
In Ungarn ist dies ein beliebter Witz, aber Geisteswissenschaften werden nicht nur hier, sondern auf der ganzen Welt nicht immer positiv beurteilt. Dem Mythos nach werden die Absolventen und Absolventinnen geisteswissenschaftlicher Studiengänge in Deutschland Taxifahrer oder Thekenkraft. Daneben kommen auch häufig andere Klischees und andere Vorurteile vor: Viele denken, dass diese Studierenden dem lieben Gott den Tag stehlen, laufend Bier oder Kaffee trinken, auf der Wiese liegen und nichts Nützliches studieren. Ist es aber wirklich so? Sind Geisteswissenschaften und dadurch ein geisteswissenschaftliches Studium nutzloser und wertloser als andere Studien?
Wenn man sich für ein Fach in den Geisteswissenschaften entscheidet, muss man damit rechnen, dass das gewählte Fach und die studierende Person selbst belächelt und geringer geachtet werden. Man hört oft die Aussagen, dass man mit seinem Abschluss nur als KellnerIn arbeiten kann oder noch schlimmer, man trägt zur Steigerung der Arbeitslosenzahl bei. Die Zukunft eines Geisteswissenschaftlers ist aber nicht so aussichtslos wie die Meisten es sich vorstellen. Auf den ersten Blick kann es wirklich so scheinen, dass sie für keinen konkreten Beruf ausgebildet sind, während Mediziner, Juristen und Ingenieure genau wissen, in welchen Bereichen sie tätig sein werden. Dagegen haben die schöngeistigen Akademiker die Möglichkeit, sich zugleich für Alles oder Nichts zu bewerben. Wo finden sie also eine passende Stelle?
Trotzt Klischees und Vorurteilen finden Philologen, Philosophen und Pädagogen Arbeit! Diese Menschen stellen ihr Leben in den Dienst der Forschung und Lehre, damit sie zu ihrer eigenen Kultur etwas beitragen können. Sie arbeiten z.B. als Lektoren, Dolmetscher und Übersetzer oder Redakteure. Wer nicht in einem traditionellen geisteswissenschaftlichen Bereich einen Job findet, der kann im Personalwesen oder in der Öffentlichkeitsarbeit tätig werden. Gute Chancen hat man bei internationalen Unternehmen, weil sie bemerkenswerterweise mehr an geisteswissenschaftlichen Akademikern interessiert sind. Heutzutage werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, die über die Kompetenzen verfügen, die viele Geisteswissenschaftler besitzen. Zu diesen persönlichen Fähigkeiten gehören z.B. Fremdsprachenkenntnisse, das strukturierte Denken und der Teamgeist. Sie sind kommunikativ und kreativ, sie kennen sich schnell in neuen Themen aus. Ich glaube, dass es ein großer Vorteil ist, dass man die Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten kann. Fest steht, dass die Welt immer interessanter und bunter wird, der Arbeitsmarkt kann nicht auf die Kreativität eines Geisteswissenschaftlers verzichten.
Wenn wir einen Blick auf die Zahlen werfen, dann stellt sich aus einer ungarischen Studie aus dem Jahr 2012 treffend heraus, dass der Berufseinstieg für Geisteswissenschaftler schwieriger ist. Es dauert länger, bis sie in der Arbeitswelt Fuß fassen können. Es ist dann nicht mehr überraschend, dass die Arbeitslosigkeit bei den Geisteswissenschaftlern (9,0%) am höchsten ist. Mit ihrem Einstiegsgehalt gehören sie in die mittlere Kategorie, sie verdienen monatlich im Durchschnitt 136 000 Ft. In Deutschland ist die Situation ein bisschen besser, im Jahr 2011 lag die Zahl der Arbeitslosigkeit unter den Geisteswissenschaftlern um 4% und stieg in den vorherigen Jahren nie über 5 %. Absolventen geisteswissenschaftlicher Fächer starten dort mit 27.000 Euro pro Jahr.
Es bleibt noch die Frage, ob ein Studierender einer Philosophischen Fakultät sein Diplom wirklich ohne Mühe bekommt? Ich habe als Germanistikstudentin an meiner eigenen Haut erfahren, dass es nicht so einfach ist, Goethes Werke auf Deutsch zu lesen oder mich detailliert mit der deutschen Grammatik zu beschäftigen. Meiner Meinung nach hat jedes Fach seine Schwierigkeiten und unbesehen sollte man die Geisteswissenschaften nicht gering schätzen. Keiner bekommt sein Diplom geschenkt!
Bildquelle (Beitragsbild): http://www.bachelor-studium.net
/Ágnes Bognár/