Interview mit Herrn Prof. Dr. Detlef Haberland anlässlich der Verleihung der Auszeichnung Pro Facultate Philosophiae an ihn
Zum ersten Mal war Prof. Dr. Detlef Haberland im Jahre 2002 in Szeged. Elf Jahre später, am 06. November 2013, bekam er die Auszeichnung Pro Facultate Philosophiae der Universität Szeged. Mit diesem Preis werden diejenigen geehrt, die für die Philosophische Fakultät in den Bereichen Lehre und Forschung etwas Herausragendes erreicht haben bzw. durch ihre langjährige Mitwirkung die Arbeit und die Entwicklung der Fakultät maßgeblich beeinflusst haben. In diesem Jahr wurde die Auszeichnung zum zehnten Mal vergeben, und unter den bisher Geehrten finden sich drei Kolleginnen und Kollegen aus der Germanistik: Im Jahre 2004 wurde die Mediävistin Frau Prof. Dr. Hedda Ragotzky (Universität Siegen) sowie im Jahre 2009 die langjährige DAAD-Lektorin des Instituts für Germanistik, Frau Dr. Ellen Tichy mit der gleichen Auszeichnung geehrt.
Mit Herrn Haberland ist die Zusammenarbeit immer sehr unbeschwert und fröhlich, und so war es auch bei seinem jetzigen Aufenthalt in Szeged. Er ist immer bereit, Fragen zu beantworten und versprüht gute Laune, also ist es kein Wunder, dass nicht nur die Dozenten und Dozentinnen, sondern auch die Studierenden gerne mit ihm arbeiten. Während der letzten elf Jahre hat er Szeged mehrmals besucht. Manchmal hielt er Seminare, aber auch Vorlesungen oder eben einzelne Vorträge. Im Jahre 2010 hat GeMa bereits ein Interview mit ihm geführt, jetzt fragen wir ihn wieder: über diesen Preis, über seine Meinung über die Hesse-Konferenz und über seine zukünftigen Pläne.
GeMa gratuliert Ihnen, lieber Herr Professor Haberland, zum Preis Pro Facultate Philosophiae! Was war der unmittelbare Anlass in Ihrem Fall, diesen Preis zu bekommen?
Die Preisverleihung basiert nicht auf einem einzigen, besonderen Ereignis oder einer einzigen Leistung, sondern berücksichtigt meine langjährige Tätigkeit hier an der Universität Szeged und speziell an der Philosophischen Fakultät seit 2002.
Im Anschluss an die feierliche Übergabe der Auszeichnung, in Anwesenheit der Festgesellschaft, wurde der Hesse-Band Hermann Hesse und die Moderne vorgestellt, dessen Herausgeber Sie und Herr Dr. habil. Géza Horváth sind. Der Band enthält die Vorträge der Hesse-Tagung im Jahr 2012. GeMa berichtete bereits über die Tagung und führte auch ein Interview mit Herrn Horváth. Jetzt bitten wir auch Sie, etwas aus Ihrer Perspektive zu sagen. Wie beurteilen Sie die Konferenz?
Die Hesse-Konferenz war für Herrn Horváth und mich ein großer Erfolg, und zwar aus mehreren Gründen. Es haben erstens praktisch alle angeschriebenen Kollegen und Kolleginnen zugesagt, d.h. wichtige Hesse-Forscher von Amerika bis Indien waren in Szeged. Der zweite Erfolg war, dass dann auch tatsächlich, bis auf einen Krankheitsfall, alle nach Szeged kamen, und drittens war die Konferenz, abgesehen von den hochinteressanten Einzelstudien und damit verbundenen Erkenntnissen, ein insgesamt ausgesprochen harmonisches Ereignis. Und das war für uns beide außerordentlich positiv.
Können Sie uns über das Buch Hermann Hesse und die Moderne etwas erzählen? Inwieweit bietet der Tagungsband mehr als die Tagung selbst?
Der Tagungsband bzw. dieser Tagungsband bietet wie jeder Tagungsband mehr als die Veranstaltung selbst, weil natürlich alle Kollegen die Gelegenheit erhalten, ihren Vortrag, der immer auf eine bestimmte Zeit reduziert sein muss, schriftlich auszuarbeiten. Und wir haben gesagt, dass die Kollegen absolut frei sind in der Menge dessen, was sie uns dann letztlich bieten. Das ist mein Prinzip und Herr Horváth ist dem gerne gefolgt. Das führt dazu, dass die Autoren ihr jeweils großes Spezialwissen ausbreiten können, das ist einfach nur positiv. Insofern gehen die Beiträge wirklich weit über das hinaus, was auf der Konferenz geboten und diskutiert wurde.
Wir sind nicht sicher, ob Sie sich noch daran erinnern können, als GeMa vor drei Jahren mit Ihnen ein Interview geführt hat. Sie haben den Studierenden damals einige Bücher empfohlen, unter anderem Theodor Fontanes Graf Petöfy. Am 06. November 2013, am gleichen Tag, an dem Sie auch die Auszeichnung erhielten, hielten Sie in der Filiale der Ungarischen Akademie der Wissenschaften einen Vortrag zu Thema Theodor Fontanes Graf Petöfy – Ein ungarisches Drama?. Warum haben Sie dieses Thema gewählt, bzw. haben Sie schon damals darüber nachgedacht, sich mit diesem Werk eingehender zu beschäftigen?
Offen gestanden weiß ich jetzt, so unvorbereitet, wie ich bin (er lacht), nicht genau, was ich damals gesagt habe. Das kann sehr gut sein, dass ich Graf Petöfy erwähnt habe, aber ich habe mich in diesen letzten Jahren nicht speziell mit diesem Roman beschäftigt, sondern ich nehme Fontane sehr gerne als Gegenstand für meine Masterseminare und dann gibt es immer wieder Studierende, die zum Beispiel dann eine Hausarbeit über diesen Roman schreiben oder wir besprechen ihn in der Sitzung. Und das hat sicherlich mit dazu geführt, dass ich den Roman für diesen Vortrag ausgewählt habe, weil es natürlich sehr schön ist, wenn man in Ungarn ist und ein ungarisches Thema dann auch behandeln kann, wobei sich herausgestellt hat, dass die Problematik des Graf Petöfy keine spezifisch ungarische ist, sondern eine des modernen Menschen überhaupt.
Jetzt möchten wir Sie etwas über Ihre zukünftigen Pläne fragen. Wie sieht Ihr Arbeitsplan in den nächsten Jahren aus?
Das kann ich natürlich nicht so ganz konkret sagen. Wir werden auf jeden Fall während meines Aufenthalts in Szeged weitere Pläne diskutieren, und wir werden versuchen, hier ein etwas größeres Projekt durchzuführen, aber wie das genau aussieht, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Ich werde mich, wenn sich die Gelegenheit ergibt, immer auch für den nationalen Studentenwettbewerb (Anm. der Red.: OTDK ist die Abkürzung für Országos Tudományos Diákköri Konferencia, d. h. die Wissenschaftliche Landeskonferenz der Studierenden) engagieren. Und einzelne Tagungen lassen sich immer planen und das werden wir dann auch tun.
Sie kennen OTDK gut und helfen den Studierenden oft, wo Sie nur können. Was motiviert Sie dabei?
Meine Motivation lässt sich ganz einfach erklären. Ich habe während meines Studiums praktisch kaum Unterstützung von meinen Professoren erfahren. Die einzige Ausnahme war mein Professor in der Geographiegeschichte, der sich um uns Studierende wirklich gekümmert hat und uns gezeigt hat, was man als Dozent machen kann, um Studierende „auf die Spur zu setzen“. Und das ist seit jeher meine Maxime als Dozent. Ich fühle mich nicht nur als Lehrender, der irgendeinen Stoff vermittelt, sondern es geht auch darum, junge Menschen, die viele Fähigkeiten, viele Ideen und viele Ideale und Wünsche haben, in irgendeine Form auf das Berufsleben, wie es auch immer aussieht, vorzubereiten. So habe ich beispielsweise einmal in Köln einer Studentin eine Publikationsmöglichkeit verschafft. Und in diesem Falle ist es eben der Studentenwettbewerb. Außerdem denke ich, wer einen Preis in diesem Wettbewerb gewinnt, der hat zwar noch keine sichere Stelle, aber mit anderen Qualifikationen zusammen ergibt ein solcher Preis ein durchaus positives Gesamtbild der Persönlichkeit des Studierenden. Und das hilft möglicherweise dann später bei der Stellensuche.
Sie kennen nicht nur das deutsche, sondern auch das ungarische Germanistikstudium. Es gibt sicherlich Unterschiede. Worin erkennen Sie diese Unterschiede?
Mittlerweile sind die Systeme, durch die Umstellung auf Bachelor und Master, ja sehr ähnlich. Ich finde es nur ausgesprochen problematisch, dass sich das gesamte Studium in den Geisteswissenschaften, nicht nur in der Germanistik, nach den angelsächsischen Naturwissenschaften ausgerichtet hat. Und das empfinde ich als einen großen Nachteil. Die alten Studiensysteme, wo auch immer in Europa, hatten ihren jeweiligen Stellenwert und ihre jeweiligen Vorzüge und die sind durch das Bachelor-Master-System schlichtweg eliminiert. Und die Studierenden werden dadurch sehr unfrei in ihrer Wahl und in ihren Möglichkeiten, und zwar europaweit. Allerdings tut dies meiner Freude, auch im Ausland zu lehren, keinen Abbruch.
Was mich an der „Auslandsgermanistik“ fasziniert, ist der ganz andersgeartete Zugang der Studierenden zu unserer Disziplin. Zunächst muss ja erst einmal die deutsche Sprache gelernt werden und dann erst kann die Auseinandersetzung mit der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte erfolgreich sein. In der Praxis sind diese Prozesse miteinander verbunden, wobei sich noch die Schwierigkeit stellt, dass die deutsche, österreichische und Schweizer Literatur ein jeweils eigener Kosmos sind. In Szeged erlebe ich immer wieder, dass man auf hohem Niveau Text- und Theoriekenntnisse vermittelt; auch die Partnerschaft mit der Universität Kassel tut ein Übriges, um den Blick der Studierenden zu weiten. Der selbstverständliche Einsatz der Elektronik in allen Bereichen kann allerdings eines nicht ersetzen: Das ist die intensive Lektüre und die damit verbundene exakte Analyse. Das muss allerdings im In- wie Ausland gleichermaßen geleistet werden.
Wir danken Ihnen für das Interview und hoffen, dass wir Sie bald wiedersehen werden. Bis dahin wünschen wir Ihnen alles Gute!
Weitere Fotos finden Sie von Anna Szentgyörgyi hier: http://www.arts.u-szeged.hu/karunkrol/btk-kepgaleria/pro-facultate-kituntetes-131113?objectParentFolderId=14562
/Krisztina Zámbó/